Ratschlag ins Wasser

■ Der „antifaschistische Ratschlag“ war ein Fehlschlag / Kaum jemand kam in die Schultheiss- Säle, außer dem Kamerateam des ZDF / Initiativen wenden sich direkt an die Parteien

Eine große Sache sollte es werden, der „antifaschistische Ratschlag“ am Donnerstag abend. Mit „radikalen und vorwärtsweisenden Forderungen“ sollte die AL, vor allem aber die SPD konfrontiert werden - so hatte sich das der Organisator vorgestellt, Frieder O. Wolf, Europaabgeordneter der Alternativen Liste in Brüssel. Alle sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Initiativen sollten ihre Stimme erheben, von 18 Uhr bis Mitternacht. Als Wolf um 18.30 Uhr aus Brüssel in den Schultheiß-Sälen in der Hasenheide eintraf, da war die Moderatorin schon wieder nach Hause gegangen. Claudia von Braunmühl (Netzwerk) war es zu peinlich erschienen: allein im kalten Saal, allein mit dem Kamera -Team des ZDF.

Also war es Wolf, der einsam hinter drei Tischen und vier Aschenbechern auf dem Podium saß, auf gerade hundert Menschen herabblickte und sich bemühte, die Referenten aufzurufen. „Ist da jemand vom Bündnis gegen Sexismus, Rassismus und Faschismus?“ rief er in die Tiefe des Saals. „Die sind gegangen“, schallte es zurück.

„Im rot-grünen Chaos gibt es zuviele Termine“, vermutete ein Mitveranstalter. Urs Müller-Plantenberg vom AL-Vorstand merkte an, die Gruppen und Initiativen hätten sich längst auf die klassische Lobbyarbeit gestürzt. Sie richteten ihre Forderung direkt an die AL und die SPD, Bedarf für einen Rundum-Ratschlag gebe es deshalb nicht mehr.

Ein bißchen geredet wurde dann doch noch. Ein Betriebsrat rief, die Hände in den Hosentaschen, zum Kampf gegen die „zunehmende Verarmung“ auf, den ein SPD/AL-Senat „wohl“ besser führen könne. Nicht genügend vertreten von der AL fühlte sich der Redner der SEW-nahen Mietergemeinschaft. Auch die Alternativen wollten die Mieten am Markt orientieren, klagte er, auf ein eigenständiges Berliner Mietengesetz verzichte die AL „von vornherein“.

„Miserabel“ sei der „Ratschlag“ vorbereitet worden, beklagte der Mietervertreter. Er hatte „nicht einmal eine Anzeige in der taz“ gefunden. Verdächtiges vermutete er hinter dieser Schlamperei. Ob die AL sich nun zu „Hinterzimmergesprächen“ einschließen werde? Warum denn kein AL-Wohnungspolitiker anwesend sei? AL-Wohnungsexperte Härtig, der anfangs kurz einen Blick in den Saal geworfen hatte, schaute erst um 20 Uhr noch mal vorbei, Wolf hatte die Versammlung endlich aufgelöst.

Die Kritik der Mietergemeinschaft tat Härtig, der geschäftige Koalitionsverhandler, mit neuem Selbstbewußtsein lässig ab: „Sollen die doch zu ihrer eigenen Partei gehen. Vielleicht kommen sie ja mal auf ein Prozent.“

hmt