piwik no script img

„Ich wollte ihr wehtun - sie hat mein Kind“

■ Ein 23jähriger Mann steht vor Gericht, weil er seinen 17 Monate alten Sohn als Geisel genommen haben soll / Das Kind lebte nach der Trennung bei der Mutter / Der Vater: „Das ist mein Sohn“ / Die Frau war wegen „Auseinandersetzungen“ ins Frauenhaus geflüchtet

Wegen Geiselnahme seines 17 Monate alten außerehelich geborenen Sohnes muß sich seit gestern der 23jährige Türke Zafer A. vor der 12.Strafkammer des Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Landschaftsgärtner vor, er habe seinen Sohn Ali am 12.August vergangenen Jahres mit der Drohung, ihn zu töten, aus dem Fenster gehalten, um zu verhindern, daß das Kind von der Polizei zur Mutter zurückgebracht wird. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe gestern im wesentlichen.

Zafer A. und seine türkische Freundin Asye B. hatten sich ein knappes Jahr gekannt, als ihr Sohn Ali im März 1987 geboren wurde. Vor Gericht sagte der Angeklagte gestern, daß er das Kind zunächst nicht haben wollte und Asye deshalb zu einer Abtreibung aufgefordert hatte. Mit der Zeit habe er jedoch Vatergefühle bekommen und möge seinen Sohn mittlerweile sehr. Vier Monate später sei Asye mit Ali „ins Frauenhaus abgehauen“, fuhr Zafer A. in seiner Schilderung fort. Ob Asye ins Frauenhaus geflüchtet sei, weil er sie geschlagen habe, wollte die Vorsitzende Richterin Solin -Stojanovic wissen. Zafer A. erwiderte ausweichend, daß er mit Asye „Auseindersetzungen“ gehabt habe, weil er angenommen habe, daß sie der Prostitution nachgehe.

Am besagten 12.August habe er seinen Sohn nach langer Zeit bei seinen Eltern wiedergesehen, zu denen Asye weiterhin Kontakt gehalten hatte. Auf seine telefonische Anfrage hin habe ihm Asye gestattet, Ali für ein paar Stunden mit in seine Wohnung in der Sonnenallee zu nehmen. In dieser Zeit habe er sich überlegt, daß Asye das Kind „überhaupt nicht mehr“ haben sollte. Ihm sei klar gewesen, daß sie damit nicht einverstanden gewesen sei, aber: „Ich wollte ihr wehtun, weil sie mir auch wehgetan hat, als sie mir das Kind weggenommen hat.“

Über das, was in der Wohnung vorgefallen war, wurden gestern zwei unterschiedliche Darstellungen abgegeben. So berichtete ein Polizeizeuge, daß Zafer A. sich weigerte, die Tür zu öffnen, als der Beamte auf Geheiß der Mutter die Herausgabe des Kindes gefordert hatte. Später habe Zafer A. das Kind an den Hüften gepackt und aus dem Fenster gehalten. Später habe er seinem Sohn, am geöffneten Fenster stehend, ein Küchenmesser an den Hals gelegt. Diese Darstellung wurde von dem Angeklagten entschieden bestritten. Zafer A. betonte, er habe immer versichert, daß er dem Kind nichts antun werde. Er habe lediglich damit gedroht, „wenn jemand reinkommt, den leg‘ ich um.“ Ein Polizeizeuge, der später am Tatort angekommen war, berichtete gestern von seinem Eindruck, „daß das Kind zu keiner Minute gefährdet war“. Sohn Ali war zwei Stunden später körperlich unbeschadet in den Händen eines psychologisch geschulten Beamten gelandet, der Zafer A. überredet hatte, die Tür zu Öffnen. Sein Vater hatte sich widerstandslos festnehmen lassen.

Auf den Vorhalt der Vorsitzenden Richterin Solin -Stojanovic, daß er als unehelicher Vater keinerlei Rechte auf sein Kind habe, erwiderte Zafer A. gestern voll Inbrunst: „Es ist mein Kind.“ Er habe nicht gewollt, daß das Kind bei seiner Mutter aufwachse, weil diese so viel mit Japanerinnen und Thailänderinnen zusammen sei, sagte der Angeklagte und spielte damit erneut auf eine Prostituiertentätigkeit Asyes an. Diesmal fragte Staatsanwalt Buschhoff nach: Warum er sich so abfällig darüber äußere, wo er doch selbst einmal auf den Strich gegangen sei? Darauf Zafer A.: „Darum geht es nicht, das kann sie von mir aus machen.“ Sein Sohn hätte es bei ihm einfach besser gehabt. Inzwischen wolle er sein Kind aber „überhaupt nicht mehr“ sehen, weil er deswegen nicht in den Knast kommen möchte, beteuerte er auf Nachfrage seiner Verteidigerin Selig.

Alis Mutter, die 25jährige Kellnerin Asye B. erzählte gestern vor Gericht, daß ihr Sohn jetzt im Heim lebe und sie ihn nur noch am Wochenende zu sich holen könne. Eine Sozialarbeiterin des Jugendamts bestätigte, daß Asye nach dem Vorfall im August große Angst gehabt habe, daß sie und Ali von Zafer A. weiterhin verfolgt würden.

plu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen