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Akrobatik vor jeder Fotosession

■ Stephan Lupino, Starfotograf mit intensivem Medienrummel, bekommt Gastprofessur an der HdK / Nach seinem Bremen-Aufenthalt hier fast wie zuhause

Damit hätte keine gerechnet: Stephan Lupino, der New Yorker Fotograf, der mit seinem aufgetakelten Besuch in Bremen über Tage die Klatschspalten und Kulturseiten der hiesigen Medien füllte, soll nun an die Weser berufen werden, um die Produktivität der bremischen Kunststudenten zu fördern und ihnen gleichzeitig neue Zugänge zu der finanzstarken Werbewirtschaft zu öffnen.

Angelehnt an das Modell, nach dem schon der Designer-Papst Luigi Colani ehrenhalber und unbezahlt den Design-Studenten mit seinen Ideen, Aufträgen aus seiner Werkstatt und seinem Namen einen Kreativitätsschub verpassen sollte, erwartet sich die Hochschule für Künste von der Berufung Lupinos eine stärkere Anbindung der Design-Studenten an die fotografische Praxis.

Die Idee, Lupino an die Weser zu holen, reifte bei dessen Bremenaufenthalt vor zwei Wochen, wo sich die Lehrenden der HfK für die Fotografierkunst Lupinos begeisterten. Handwerklich brilliant ausgeführte Fotografien, im klassischen Stil, manchmal bis zur Konventionalität, gehalten, bilden das Merkmal Lupinos. Das paßt zum Stil der Hochschule.

Auf Nachfragen neugieriger Journalistenschnüffler reagiert man an der Hochschule jedoch bedeckt. Noch ist der Deal nicht perfekt, der dem Fotografen ein Atelier und Wohnung in Bremen sichern soll, um dort von Zeit zu Zeit zu arbeiten, unterstützt von AtelierassistentInnen, LaborantInnen und Models aus dem Kreis der StudentInnen, die sich so einen Namen in der Fotografenwelt an ihr Revers stecken können sollen, mit dem sie für ihre eigenen Produktionen die Absatzchancen verbessern können. Außerdem soll der Fotograf, wenn er schon einmal da ist, einige unregelmäßige Vorlesungen über seinen Zugang zur Fotografie halten.

Nach anfänglichen Unstimmigkeiten, so hört man, sei man sich in Hochschullehrerkreisen schnell einig geworden und die Professoren lassen hinter vorgehaltener Hand schnell anklingen, daß ein neuer Coup dieser Preislage ihnen einiges Vergnügen bereitet. Ein Professor: „Es könnte

sich hierdurch in Bremen eine interessante Diskussion über ästhetische Oberflächenreize in der Fotografie entflammen, verknüpft jedoch mit konventioneller Ausführung. Dieses Thema hat seit Anbeginn der Fotografie immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt. Ich sehe in Lupino eine Kompetenz in Sachen Menschenfotografie, die die Studenten bestimmt zu neuen außergewöhnlichen Arbeiten inspirieren wird. Ähnlich wie bei Michael Schirner (dem Werbestar) bin ich dafür, solche Künstler an diese Schule zu binden.„ Und sein Kollege ergänzt: „Solange von uns Professoren dann nicht auch verlangt wird, Akrobatik und Kopfstand vor jeder Fotosession zu bieten, hätte ich gegen Lupino, allerdings nur als Gastprofessor, nichts einzuwenden.„

Die Professoren scheinen einig: sie wollen mit Lupino einen weiteren prominenten Künstler, der für einen stärkeren Kommerzbezug steht, nach Bremen holen und nach den spektakulären Aktionen des Ausziehfotografen, ist ihnen die Zustimmung zumindest der überwiegenden Mehrheit der männlichen Studenten gewiß. Und auch die Medien, die sich durch die akademische Anerkennung für Lupino von dessen peinlichen Performlances weniger verarscht vorkommen müssen, werden jubeln.

Fraglich ist jedoch, was die StudentInnen von Stephan Lupino als Lehrmeister halten. Im Frauenreferat des Asta der HfK ist frau sich nicht einig, wie sie auf eine Ernennung des ausgewiesenen „Macho“, dem „es nicht passieren könnte, daß ihn niemand mehr erkennt“ (Selbsteinschätzung S.Lupino) reagieren soll. Mit einem gewissen resignierten Zynismus begrüßen die Frauen seine Berufung, weil „sie unweigerlich die fadenscheinige Harmonie zwischen Männern und Frauen an der Hochschule zerstört, und das Engagement für den Frauenasta erhöht.“ Andererseits betonen sie, den Zusammenhang zwischen Lupinos „pornografischen“ Performances und seinen Bildern, die sich eben nicht als „mißratene Selbst-Inszenierun- gen, die mit den 'gelungenen‘ Fotos nichts zu tun hätten“, verstehen lassen. Alles in allem fühlen

sie sich bestens gewappnet für die Auseinandersetzung, die sie mit dem Fotografen führen wollen. „Daß Lupino fotografieren kann, das ist keine Frage, aber genau an seinem Beispiel können wir endlich einmal diese Auseinandersetzung führen, warum mann denn, um berühmter Künstler zu sein,

immer nackte Frauen in aller Ausführlichkeit ausstellen muß, während bei vielleicht 100 Fotos nur ein halber Schwanz zu sehen ist. Der ist auch nicht schön, das finde ich ja auch.“ „ Da soll er erst mal selbst die Strapse runterlassen und wir sagen ihm dann, wie er zu posieren hat.“ ste

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