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„Unsere Geschichte, nur als Farce“

■ Ultimatum für die Besetzer der Mainzer Landstraße 147 in Frankfurt läuft morgen ab

Frankfurt (taz) - Morgen abend erreicht der Konflikt zwischen den BesetzerInnen der Mainzer Landstraße 147 in Frankfurt und den dort arbeitenden linken und alternativen Projekten seinen vorläufigen Höhepunkt mit einer öffentlichen Veranstaltung. Das „Informations- und Aktionszentrum“ zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen hatte sich nach der Besetzung des Büros der Grünen und deren Flucht auf der ganzen Etage ausgebreitet. Die über 20 Projekte im Haus protestierten und setzten eine Frist zum Rückzug, die morgen abläuft.

Gestern mittag nahm Joscha Schmierer für das Haus Stellung. Er wandte sich gegen die Behauptung der Besetzer, das Haus sei von den „ehemals Linksradikalen“ „an die Commerzbank verkauft worden“. Es sei 1977 nach einem Mitgliederbeschluß vom maoistisch orientierten Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) gekauft und bezogen worden. Mit Auflösung des KBW ging das Haus in die Hände der Belegschaft der Ex-KBW-Betriebe über.

Die Versuche der Besetzer sieht Schmierer auch ironisch: „Wir haben das ja schon mal durchgespielt. Zu KBW-Zeiten war das Haus mehr oder weniger einige geschlossene Anstalt. Wirklich genutzt haben wir damals nur zwei Etagen des Hauses. Seit 1980 haben wir ein offenes Konzept. Wir wollen dabei bleiben und mit der alten Bunkermentalität nichts zu tun haben. Für uns wiederholt sich mit der Forderung der Besetzer unsere eigene Geschichte, nur eben als Farce.“

Den „Deal“ mit der Commerzbank gibt es, nur sieht er, so Schmierer, anders aus, als die Besetzer behaupten. Die Commerzbank sei nach und nach gegen den Widerstand der ML 147 in den Besitz aller benachbarten Grundstücke gekommen. Deshalb habe man sich vor zwei Jahren zum Verhandeln entschlossen, um nicht zugebaut und „wertgemindert“ zu werden. Verkauft worden sei aber nichts, das sei laut Satzung gar nicht möglich. Es sei getauscht worden gegen ein schlüsselfertiges neues Haus am Westbahnhof, das innerhalb der nächsten zwei Jahre nach ökologischem Konzept mit 20 Prozent mehr Platz gebaut werden soll. Alle Mieter werden dorthin umziehen.

Zur möglichen Konfrontation zwischen Szene und Besetzern erklärte Schmierer: „Wir hoffen, daß möglichst viele Leute um 20 Uhr zur Diskussion kommen.“ Er wünsche sich, daß die Besetzer das Angebot, sich auf zwei Räume zu beschränken, annehmen. Er wolle „keine Schlägerei“, sondern eine friedliche „Zurückbesetzung“. Es sei wichtig, daß sich die linken Projekte im Haus nicht zwischen „der militärischen Strategie der Polizei einerseits und nicht weniger militärischen Organisationen andererseits zerreiben“ lassen.

Heide Platen

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