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Von Kohl nichts Neues

Der Kanzler bleibt wolkig bei einer Diskussion mit der Parteibasis / Ausländerpolitik spaltet die Union  ■  Aus Neumünster A. Kintzinger

Hoch im Norden wird die Regierungskrise klein und nichtig. Während die Republik über die „Kanzlerdämmerung“ redet, ist in der Neumünsteraner Holstenhalle wenig zu spüren von den Osterunruhen in Bonn. Rund 900 MandatsträgerInnen aus den CDU-Landesverbänden Schleswig-Holstein und Hamburg sind da, um mit dem Kanzler zu diskutieren. Ob aber nun Theo Waigel Gerhard Stoltenberg ablöst, ob Zimmermann in die Pension geschickt oder überhaupt das gesamte Kabinett umgebildet wird: Die norddeutsche Parteibasis kümmert's nicht.

Nach einer mehr als einstündigen Grundsatzrede Kohls, die er so auch vor vier oder in fünf Jahren gehalten haben oder halten könnte, zeigten die CDUlerInnen, wo sie der Schuh drückt. Top-Thema: Aussiedler, „Asylanten“, Ausländer. „Wohnungen für junge deutsche Leute sind nicht mehr zu bekommen“, beklagte die Mittfünzigerin Ilse Schindler von der Kieler CDU: „Die Aussiedler bekommen alles umsonst“, auch „Asylanten, Ausländer, ja regelrechte Polen“ würden gnadenlos bevorteilt. Daß der Kanzler „das Ausländerproblem vernachlässigt“ habe, stellten vor allem die CDUlerInnen aus ländlichen Gebieten fest. Dabei dürften sie mit diesem Thema lediglich im Fernsehen konfrontiert werden. Ob im Kreis Herzogtum Lauenburg, ob in Stormarn oder in Dithmarschen: Man muß lange suchen, um dort einen Türken, Iraner oder Jugoslawen zu finden. Andere, vor allem jüngere Unionsmitglieder, drängten den Kanzler, mehr „auf das große C im Namen der Partei zu achten“. Kohl erkennt die Polarisierung in der Halle, kann ihr aber nichts entgegensetzen. Zwischen Deutschtümelei und den Statements des aufgeklärteren Parteivolkes klafft eine Lücke, die zu schließen er nie und nimmer in der Lage ist. Der anfangs freundliche Beifall reduzierte sich zum vereinzelten Klatschen derer, die Kohl gerade zu besänftigen sucht.

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