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Mit Tempo 30 gegen Tempo 100

■ Die „Bürgerinitiative gegen Tempo 100“ will am Samstag autofahrend im Schneckentempo gegen Tempo 30 demonstrieren

Vor drei Wochen standen sie stundenlang im Stau, um gegen Tempo 100 zu protestieren, nun wollen sie am kommenden Samstag wie die Schnecken durch die Innenstadt schleichen, um gegen die geplante flächendeckende Einführung von Tempo 30 zu demonstrieren. Dadurch will die „Bürgerinitiative gegen Tempo 100“ nach eigenen Worten „allen zeigen, wie praktizierte Verkehrspolitik a la Rot-Grün aussieht“. Treffpunkt für die Bleifüße ist um 11 Uhr auf dem Parkplatz Jaffestraße.

Für die Aktion, so Initiativensprecher Thomas Seidel, sei ein Gebiet zwischen Kaiserdamm, Messegelände, Hohenzollerndamm und Yorckbrücken ins Auge gefaßt worden. In diesem Bereich wollen die Tempolimit-Gegner dann nicht im geschlossenen Korso, sondern ganz individuell konsequent 30 fahren.

Die Langsamfahr-Aktion der Bürgerinitiative hat im Vorfeld bereits heftige Kritik ausgelöst. Verkehrssenator Wagner bezeichnete die angekündigten Autofahrten durch die Innenstadt als eine bewußte Lahmlegung des Verkehrs und vorsätzliche Schikane der Bevölkerung. Wer auf überörtlichen Verkehrsstraßen, die auch langfristig nicht für eine Verkehrsberuhigung vorgesehen seien, absichtlich so langsam fahre, zeige, daß es ihm nicht um eine sachliche verkehrspolitische Diskussion gehe, kritisierte Wagner. Die Initiatoren der Aktion sollten lieber das Auto stehen und ihren Protest in einer angemeldeten Demonstration per Pedes zum Ausdruck bringen.

„Die Berliner Bevölkerung hat ein Recht darauf, vor dem Terror dieser kleinen Gruppe uneinsichtiger Kraftfahrer geschützt zu werden“, erklärte auch der Auto-Club Europa (ACE). Der Auto-Club hat prüfen lassen, ob die Initiative mit ihrem Aufruf, die Innenstadt mit Tempo 30 lahmzulegen, nicht gegen das Strafrecht verstoße. Wer vorsetzlich langsam fahre, ohne daß es die Umstände erforderten, könne wegen vorsätzlicher Behinderung und Nötigung angezeigt werden. Von einem Strafantrag im Vorfeld habe man jedoch abgesehen, erklärte ACE-Regionalleiter Erich Dankert, man wolle jedoch genau beobachten, wie die Aktion am Samstag verlaufen werde. Auch Privatpersonen, die sich durch Teilnehmer der Protestfahrt behindert fühlten, könnten Anzeigen erstatten.

„Eigentlich verdienen wir Applaus von AL und SPD dafür, daß wir so einen praxisnahen Großversuch Tempo 30 durchführen“, meint dagegen die Bürgerinitiative. Beifall kommt in der Tat von der Alternativen Liste.

„Geradezu beglückt über die ungeheure Akzeptanz, die ihrer Forderung nach Tempo 30 auf allen Stadtstraßen“ entgegenschlage, forderte der verkehrspolitische Sprecher der AL Michael Cramer im Namen der Fraktion alle AutofahrerInnen auf, nicht nur am 24. Juni, sondern an allen folgenden Tagen auf innerörtlichen Straßen Tempo 30 nicht zu überschreiten.

-guth

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