: Bunge & Born-Ticket fürs Wirtschaftsministerium
Streifzug durch die Geschichte des argentinischen Multis, der unter der peronistischen Regierung die Wirtschaftspolitik des Landes bestimmt ■ Aus Montevideo Gaby Weber
Möglichst nicht in die Schlagzeilen geraten, heißt die Parole des argentinischen Agro-Multis Bunge & Born (BB), nach Unilever und Nestle drittgrößter Getreidehändler der Welt. Mit einem Jahresumsatz von weit über zehn Milliarden Dollar (1979) ist er auch in der Speiseölproduktion, im Baumwollgeschäft und in der Chemo-Industrie führend. 60.000 Mitarbeiter hat der Multi in 80 Ländern unter Vertrag. Im Bankenzentrum des Subkontinents, Montevideo, hält man gemeinsam mit der Deutschen Bank das erste Haus am Platze: die „Banco de Montevideo“. Der Konzern betätigt sich indes nicht nur grenzüberschreitend. Für ihn sind, spätestens seit dem Machtantritt der peronistischen Regierung Menem, die feinen Unterschiede zwischen Wirtschaft und Politik fließend. Ausgerechnet die Partei, die traditionell eher auf den Staat setzte, will es nun mit Privatisierung und Deregulierung versuchen - unter starkem Einfluß der argentinischen Unternehmer, und hier ganz besonders Bunge & Born: Menem ernannte Miguel Roig, Ex-Direktor von Bunge & Born, zum Wirtschaftsminister. Als der starb, rückte ein anderer Chef des Hauses auf das Bunge & Born-Ticket nach, der allerdings mit Haftbefehl gesucht wird (s. Kasten). Der Aufstieg des Unternehmens zum Multi begann bereits im letzten Jahrhundert.
Seine Geschichte beginnt im Jahre 1818, als ein Geschäftsmann aus Deutschland in Amsterdam die Firma Bunge & Co. gründet und in den Handel mit Edelhölzern, Gewürzen, Baumwolle und Kautschuk einsteigt. 1851 verlegt die Firma ihre Zentrale nach Antwerpen. Belgien, und mit ihm Eduoard Bunge, stürzt sich ins koloniale Abenteuer. Die Konferenz von Berlin erklärt 1887 das Gebiet des heutigen Zaire zum „unabhängigen Staat“ - und überträgt dem König von Belgien, Leopold II, die Souveränität. Belgisch Kongo wird zu seinem Privateigentum. „Land ohne Eigentümer“, verkündet seine Majestät, sei „automatisch Eigentum des Staates“. Als Eigentümer werden nur Europäer anerkannt, nicht Afrikaner. Leopold gewährt drei Unternehmern, darunter Edouard Bunge, die Konzession, Elfenbein, Kautschuk, Kaffee und Kakao auszubeuten. Antwerpen wird zum größten Kautschuk-Hafen, und Bunges Kautschuk aus dem Kongo wird berüchtigt als das „rote Gummi“ - rot wegen der Vertreibung ganzer Stämme, der Zwangsarbeit, der Geisellager und der Massaker.
Der Bruder des belgischen Firmenchefs schlägt am anderen Ufer des Atlantik einen BB-Brückenkopf: Lateinamerika hatte sich von der spanischen Krone befreit, und die aufblühende Wirtschaft benötigte Kapital. Ernesto Bunge gründet in Buenos Aires 1876 mit Jorge Born und später mit den deutschen Geschäftsleuten Alfredo Hirsch und Jorge Oster das Unternehmen mit einer großen Zukunft: Bunge y Born. Da Rinderzucht und Kühlhäuser fest in britischer Hand sind, bleibt für BB nur die Marktlücke Getreide übrig. Die Firma errichtet auf dem Land riesige Silos, sorgt für schnellen Transport und Vermarktung, und schon nach wenigen Jahren hat BB eine Monopolstellung.
Die Bauern bitten 1888 vergeblich den Staat, eigene Silos und Hebebühnen zu bauen. Die Produzenten werden vom Konzern noch abhängiger, nachdem BB großzügig Kredite vergibt; das Land der zahlungsunfähigen Bauern fällt nach und nach in seine Hand. BB wird größter Mehlproduzent Argentiniens, steigt ins Bankgeschäft ein und gründet in Brasilien, Uruguay und Australien Niederlassungen. Die Palette wird umfangreicher: Baumwolle, Textilien, Farben, Lack, Speiseöl und chemische Produkte.
Noch ist der US-Markt für den Neuling BB schwieriger zu erobern, die Getreideproduktion war Anfang des Jahrhunderts auf den Binnenmarkt ausgerichtet und fest in der Hand der eingesessenen Verteiler. Doch nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 kauft er US-Firmen auf und dringt in das Netz der Getreidekäufer ein.
In Argentinien übernimmt der Staat ab 1932 die Kontrolle über die Getreidebörse, errichtet eigene Silos und bietet den Produzenten Kredithilfe an. BBs Monopolstellung gerät ins Wanken, hatte er in den zwanziger Jahren über 30 Prozent des argentinischen Getreides exportiert, fällt er 1933 auf 17 Prozent zurück. 1946 gerät Juan Peron an die Macht und nationalisiert den Außenhandel. Die Getreide-Exporteure werden zu Zwischenhändlern, die großen Gewinne streicht der Staat ein. Auf BB entfällt nur noch 6,5 Prozent des Getreidehandels, der Konzern tritt in den Investitionsstreik. Erst nach dem Putsch gegen Peron gründet BB mit der deutschen Firma Hoesch ein Chemie-Werk.
Während der Peron-Regierung setzte BB den Akzent auf die Viehfutterproduktion auf Sojabasis in Brasilien. Nach dem Militärputsch von 1964 wird der Nachbarstaat mit Wachstumsraten um die zehn Prozent zu einem Paradies für Multis. Sie genießen Steuervorteile, ungehinderte Gewinnrückführung und stören sich nicht an lästigen Umwelt oder Arbeitsschutzgesetzen. Der brasilianische Arm von Bunge und Born wird zum größten Soja-Exporteuer der Welt, kontrolliert 44 Prozent des brasilianischen Margarine -Marktes und vieles mehr.
Auch die zweite Peron-Regierung wird boykottiert. Am 19. September 1974 werden Jorge und Juan Born von der peronistischen Guerilla „Montoneros“ gekidnappt. Der Konzern zahlt 60 Millionen Dollar Lösegeld, verteilt in den Armenvierteln Lebensmittel, und nach mehreren Monaten Geiselhaft werden die Entführten auf freien Fuß gesetzt. Die Familie flüchtet Hals über Kopf ins sichere Brasilien, wohin nun auch der offizielle Konzernsitz verlegt wird.
Nachdem die Mikroelektronik den traditionellen Wettbewerbsvorteil der Dritten Welt - billige Arbeitskraft relativiert hat, verlagert BB wie fast alle Multis seine Investitionstätigkeit auf die nördliche Halbkugel. Mit eigenen Firmen umgeht BB den Protektionismus der USA und der EG. Schwerpunkt des europäischen Engagements wird die Bundesrepublik, Spanien (wo BB in Sachen Speiseöl inzwischen zum Marktführer avanciert ist) und die Schweiz, die als Nicht-EG-Mitglied als Sprungbrett in andere Märkte interessant ist.
In Argentinien hatte die neue peronistische Regierung mit der Ernennung des Ex-Direktoriumsmitglieds Miguel Roig zum Wirtschaftsminister eine neue Etappe und eine neue Qualität eingeläutet. Lassen „zivilisierte“ Kapitalisten für sie Politik machen, so haben sie jetzt in Argentinien offen die Macht übernommen und ihre eigenen Leute auf die Ministersessel gehoben. Kaum im Amt schrieb Roig einen Gesetzentwurf, wonach ganz „unperonistisch“ die staatlichen Getreidesilos und Hebebühnen in Zukunft von Privaten verwaltet werden sollen. Damit verliert der Staat die Kontrolle über das Getreidegeschäft.
Als Roig nach zehn Tagen im Amt starb, erklomm ein weiterer hochrangiger Mann des Hauses seinen Stuhl: Nestor Rapanelli, Vizechef des Unternehmens. Der Konzern hatte ihn nur unter der Bedingung freigegeben, daß die Menem-Regierung auf die Anwendung eines noch von Peron verabschiedeten Gesetzes verzichtet, wonach der Staat die Preise für Grundnahrungsmittel festschreiben kann.
Hatte Rapanelli zuvor in den Verhandlungen mit der Menem -Regierung über Preiskontrolle die Unternehmer mit harter Position vertreten, repräsentierte er nach Roigs Tod nun selbst die Regierung.
Vor wenigen Tagen trat der Getreidehändler-Verband FAA an die Öffentlichkeit. Ein neues Gesetz, so befürchtet die FAA, solle alle kleinen und mittelständischen Betriebe in den Bankrott treiben. Da die Regierung pleite ist, sollen die Agro-Exporteure dem Schatzamt Devisen vorstrecken, die sie aus künftigen Getreideverkäufen erzielen werden. Nur wer jetzt Dollars im Wert von 50.000 Tonnen Weizen der Regierung vorschießen kann, soll die Genehmigung für den Export behalten. Wenn diese Regelung Gesetz werde, so die FAA, blieben nur die fünf großen Agro-Konzerne übrig. Der größte von ihnen heißt Bunge und Born.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen