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„Draußen beschäftigt man sich ja nicht mit Knast“

 ■ S T A N D B I L D

(Kontext: Da bist‘ echt fertig, Mi., 23.8., 22.45 Uhr, ZDF) Frauen begehen rund 20 Prozent weniger Straftaten als Männer. Knapp 3.000 sitzen derzeit in der BRD im Knast. Die meisten wegen sogenannter Eigentumsdelikte: Diebstahl, Betrug und Unterschlagung, weitaus weniger wegen Drogenmißbrauchs, Mord oder Totschlags. Die Mehrzahl wird straffällig aufgrund sozialer Not und zur Versorgung und Stabilisierung der Familie. Viele sitzen, weil sie ihren Männern helfen wollten. Das Gefängnis in Aichach (Bayern) wurde 1904 als „Zucht- und Arbeitsanstalt“ gebaut. Hinter seinen Gemäuern vollzieht sich heute die Justiz an 300 Frauen. Manche sitzen lebenslänglich, andere nur ein paar Monate.

Einen Tag lang durfte ein Fernsehteam dort Aufnahmen machen. Der 30minütige Dokumentarfilm folgt dem öden, auf die Minute durchorganisierten Knastalltag. Offiziell beginnt er morgens um dreiviertel sechs mit dem Wecken über Sprechanlage und endet abends, dreiviertel acht, mit dem Einschluß zur Nacht. Dazwischen folgen Kamera und Mikrofon den Frauen beim „Ausrücken zur Arbeit“, zum Essenfassen, zur Neuaufnahme, ins Besuchszimmer und immer wieder hinein in die Zellen. Die Bilder versuchen die Erzählungen der auf Wunsch unerkannt bleibenden Insassinnen zu kommentieren: das unerträgliche Eingeschlossensein, die Monotonie, die Ängste, hinter den Mauern zu verblöden und den Verlust von Kommunikation und Nähe. Dazwischen - als Kontrast - die Statements der Schließerinnen, die sich oft in ihrer Rolle zwischen Fürsorge und Repression überfordert fühlen. Die Aussagen von Anstaltsleiter und Sozialarbeiterin runden das Bild vom „humanitären Strafvollzug“ ab. Natürlich kann der Film das Elend hinter Sauberkeit und Ordnung nur andeuten. Wenn eine Schließerin sich über aufsässige Frauen beschwert und sagt: „Da muß man eben einschreiten“, ist das Wie natürlich nicht dokumentiert. Und wenn eine Gefangene die Strafen für „böses“ Verhalten beschreibt, dann fehlen die Bilder vom leeren „Einzelbunker“, in dem es nur eine Bibel gibt. Wenn eine andere über den Anstaltskoller spricht, über Depressionen und Wutausbrüche, dann blickt das (Kamera)Auge auf die gegenüberliegende vergitterte Traktseite. Kein Wort natürlich darüber, wie sich in diesem Zustand der völligen Entmündigung und Überwachung individueller oder kollektiver Widerstand - wenn auch nur der kleinste - entwickelt. Kein Wort darüber, wie jenseits von Konkurrenzkämpfen und Eifersucht die Beziehungen zwischen den Gefangenen sind. So muß der Film zwangsläufig an der Oberfläche bleiben. Interessant - schon des Themas wegen - war er allemal. Denn, so sagte es eine, „draußen beschäftigt man sich ja nicht mit Knast“.

Ulrike Helwerth

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