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Feminismus - noch in oder völlig out?

Die Italienerinnen können sich nicht einigen: Während die einen den Postfeminismus ausharren, beharren die anderen auf der Frauenbewegung / Kampf um ein autonomes Frauenzentrum in Rom  ■  Von Michaela Namuth

„Längst sind sie emanzipiert, und nun streben sie nach Machtposten in der Welt der Politik, der Industrie und der Medien“, so ein Titel des Wochenmagazins 'L'Espresso‘. Seit rund drei Jahren hält sich hartnäckig das Bild der „postfeministischen Frau“ in den italienischen Medien. Und das heftig strapazierte Wörtchen „post“ signalisiert hier den Niedergang des Feminismus und die Rückkehr „der Damen“. Erfolgreiche Frauen wie die Parlamentspräsidentin Nilde Jotti, Verlegerin Inge Feltrinelli, die Mode-Schwestern Fendi und die Regisseurin Lina Werthmüller müssen Parade laufen. Bei den Kommunisten sind inzwischen 30 Prozent der Führungsposten mit Frauen besetzt, freut sich 'L'Espresso' -Autorin Christina Mariotti. Etwas kleinlaut fügt sie hinzu, daß eigentlich auch bei den Sozialisten eine Quotierung von 20 Prozent eingeführt wurde, an die sich allerdings niemand hält. Und von den 28 italienischen Ministern sind nur zwei weiblich.

Auch im internationalen Vergleich schneidet Italien schlecht ab. In Frankreich sind sieben Prozent der Topmanager Frauen, in der Bundesrepublik sechs Prozent und in Italien nur jämmerliche zwei Prozent. Die Arbeitslosenquote der Frauen Süditaliens liegt mit 30,7 Prozent höher als die der Frauen auf der iberischen Halbinsel (Durchschnitt von Spanien und Portugal: 22,1 Prozent). Und unter den ersten 80 Positionen des staatlichen Fernsehsenders RAI ist keine einzige zu finden, die mit einer Frau besetzt wäre.

Wo sind sie also, die vielbeschworenen selbstbewußten Exfeministinnen, die den Sprung zur Karrierefrau geschafft haben? Eine von ihnen sitzt in der Redaktion der populären feministischen Monatszeitschrift 'Noi Donne‘: Roberta Tatafiore, ein bekannter Name in italienischen Intellektuellen-Kreisen. Unlängst referierte sie über „Die Herausforderung der weiblichen Erotik“. Ihr Fazit: „Das neue, in den Medien propagierte Frauenbild hat eine gewisse reale Substanz. Wir sind selbstsicherer und sexuell freier geworden. Das Problem Sex haben wir überwunden, nun geht es um das Leben von Beziehungen.“ Und sie ist ganz Postmodernistin (als solche bezeichnet sie sich), wenn sie feststellt: „Der Feminismus ist keine politische Bewegung, sondern die Kraft, die sich die Frauen gegenseitig geben.“

Für Tatafiore hat sich die Realität der italienischen Frau verändert, auch wenn viele Zahlen und Fakten gegen diese These sprechen. Die amerikanische Feministin Judith Stacey registriert dieses Phänomen einer neuen Realitätseinschätzung auch in den Vereinigten Staaten: „Die Lage einer großen Zahl von Frauen hat sich zwar objektiv keineswegs verbessert, gleichwohl konstatieren öffentliche Meinungsumfragen fortgesetzt verbesserte, 'subjektive‘ Bedingungen für Frauen.“

Ebensolches passiert derzeit auch in Italien, wo das Bild einer Gesellschaft propagiert wird, die es den Frauen ermöglicht hat, einen sinnvollen Beruf und eine eigene Identität zu finden. Und intellektuelle Alt-Feministinnen, die der aktivistischen Politik und der alten Vergewaltigungs - und Abtreibungsdebatten (nicht zu Unrecht) überdrüssig sind, springen schnell auf den „Post„-Zug, bevor der abgefahren ist.

Notstand im Frauenzentrum

Während einerseits also Frauen in Italien die Bewegung für überholt halten, kämpfen andere sehr heftig darum: um Räume und Möglichkeiten, wo sie sich als Feministinnen treffen, diskutieren und organisieren können. Denn im römischen „Centro Feminista Separatista“ herrscht Notstandssituation. Jeden Moment kann geräumt werden. In einem Zimmer des alten Gebäudes hängen einsame himmelblaue Fotos, die die Geschichte des Centro dokumentieren. Eine „Stadt der Frauen“ sollte es werden: ein internationales Frauenzentrum mit viel Raum für Archive, Bibliotheken, Dokumentationszentren, Theater, einem Radiosender und Konferenzsälen für Seminare und Kongresse.

Seit mehr als zwei Jahren wird das Gebäude Buon Pastore im Stadtteil Trastevere von Frauen besetzt, hartnäckig Territorium gegen Stadtrat und Vatikan verteidigt. Kürzlich erlebte das Zentrum die heftigste Attacke: Eine bewaffnete Einheit der paramilitärischen Staatspolizei Carabinieri startete eine Blitzrazzia. Doch die Fruen kamen wieder und organisierten Aktionstage, um auf die Situation der letzten feministischen „Festung“ in Rom aufmerksam zu machen. In den letzten Wochen war der Garten des Buon Pastore Schauplatz von Lesungen, Theatervorführungen, Festen und politischen Diskussionen, belebt wie seit Jahren nicht mehr.

Das Gebäude Buon Pastore war 1983 zehn verschiedenen Frauengruppen von der - damals kommunistisch regierten römischen Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt worden. Das „Centro Feminista Separatista“ durfte allerdings nur vier Räume beziehen. Weitere 1.700 Quadratmeter, einst von der Stadt zugesichert, konnten aufgrund ihrer Baufälligkeit nicht genutzt werden. Vier Jahre später wurde öffentlich, daß die Stadt einen Großteil des Gebäudes, das sie der Kirche einst abgekauft hatte, wieder dem Vatikan zur Verfügung stellen will. Das Buon Pastore diente einst als „Besserungsanstalt für gefallene Mädchen“ und soll nun auch wieder ähnlichen christ-sozialen Zwecken zugeführt werden.

Dokumente „verschwunden“

Die Besetzung begann: Nicht nur die zehn „legalen“ Frauenkollektive des Buon Pastore machten mit, sondern alle römischen Frauengruppen. Die konservative Presse ihrerseits initiierte eine breite Kampagne gegen das „Lesbennest“ und das „unsoziale Weibsvolk“, das verhindere, daß Obdachlose und Behinderte im Buon Pastore von der Kirche betreut werden können.

Mittlerweile werden die Angriffe der christdemokratischen Stadtverwaltung aggressiver und die Räumungsversuche häufiger. Die Klage der Feministinnen auf Hausrecht beim Verwaltungsgericht wurde zurückgewiesen. Während des Prozesses waren wichtige Dokumente über die Geschichte des Buon Pastore „verschwunden“. Maria Paola Fiorensile, Sprecherin der Besetzerinnen: „Die Unterlagen wurden gestohlen.“

In ganz Rom gibt es keinen Treffpunkt für Frauen, keinen Ort für Frauenpolitik außer dem, der jetzt verteidigt wird. Für Maria Paola Fiorensile setzt diese Hartnäckigkeit Zeichen: „Die Frauenbewegung in Italien ist nicht tot, nur weniger sichtbar. Im April gingen immerhin 800.000 Frauen auf die Straße, um gegen die Verschärfung des Abtreibungsparagraphen zu protestieren.“ Um wieder sichtbar zu werden, planen die römischen Feministinnen eine Frauenliste bei den Kommunalwahlen im Oktober. Ihr oberstes politisches Ziel ist „il diritto di cittadinanza sessuale“, die Eroberung eines der grundlegendsten Bürgerinnenrechte: das Recht auf Territorium.

Die römischen Besetzerinnen brauchen internationale Unterstützung, vor allem wenn es zu einem Prozeß kommt. Unterschriftenlisten, in denen man sich als Mitbesetzerinnen selbst anklagt („Firme di autodenuncia in sostegno dell‘ occupazione del Buon Pastore, Centro Feminista Internazionale Alma Sabatini“), können an die Anwältin der Besetzerinnen geschickt werden. Schreibt als Gruppen, unterschreibt jedoch einzeln mit Anschrift und Unterschrift. Adresse: Tina Lagostena Bassi, Via Basento 37, 00198 Roma.

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