„Die haben total abgewiegelt“

Zwei Bundesdeutsche, die am 21. August in Prag festgenommen wurden, berichten über ihre Erfahrungen mit der tschechoslowakischen Polizei und der Deutschen Botschaft  ■ I N T E R V I E W

Gestern begann in Prag der Prozeß gegen zwei Ungarn, die am 21. August zur Erinnerung an die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 demonstriert hatten. Bis Redaktionsschluß war noch kein Urteil bekannt. Nach der Demonstration festgenommene Bundesdeutsche sind inzwischen alle wieder frei.

Ihr seid am 21. August in Prag bei der Demonstration auf dem Wenzelsplatz von der Polizei inhaftiert worden. Was wurde euch vorgeworfen?

Eigentlich wollten wir nur mal sehen, was da los ist. Als die Polizei auf einmal losstürmte, haben die mich einfach abgegriffen. Meine Freunde, die einen festgenommenen DDR -Punk nach seinem Namen fragen wollten, sind auch gleich mit eingesackt worden.

Was haben sie danach mit euch gemacht, seid ihr verhört worden?

Ja, erst mal sind wir auf ein Revier in der Benediktskaja gebracht worden. Dort wurde ein Protokoll aufgenommen, ganz lasch. Ich hab‘ natürlich zu Protokoll gegeben, daß ich aus rein touristischen Motiven da war, und genau das wollte der Dolmetscher auch hören. Nur bei den DDRlern war das anders. Die haben sie stundenlang ausgequetscht und ihnen den Touristen nicht abgenommen. Insgesamt 17 DDR-Bürger saßen ein.

Wie lange seid ihr festgehalten worden?

Insgesamt 56 Stunden, 8 Stunden länger als nach CSSR-Gesetz erlaubt. Das Untersuchungsgefängnis Rozyne war total überbelegt. Wir hatten zu dritt nur ein Bett. Klopapier und Zahnpasta gab es nicht.

Warum haben sich eure Freunde, die sie nicht erwischt haben, nicht um euch gekümmert?

Haben sie, die wußten nur nicht, wo sie uns hingebracht haben. Und die Deutsche Botschaft hat sich überhaupt nicht um uns gekümmert. Die hat ihnen nur geantwortet: Melden Sie sich mal morgen, vielleicht sind die nur in einer Kneipe versackt, und nach 24 Stunden lassen die tschechischen Behörden die Leute wieder frei. Die haben nur abgewiegelt.

Seid ihr nach eurer Freilassung nochmal bei der Botschaft vorstellig geworden?

Na klar, nachts um zwei. Wir sollten innerhalb von 8 Stunden das Land verlassen. Wir waren total müde und konnten nicht mit dem Auto fahren. Wir wollten einen Schrieb von der Botschaft und dem tschechischen Außenministerium, daß wir erst später das Land verlassen können. Die wollten uns nicht einmal dort schlafen lassen mitten in der Nacht. Zu essen gab's auch nichts. Wir haben uns dann einfach bei den DDRlern bedient mit Hartkeks aus Bundeswehrbeständen. Du mußt offenkundig einen blauen DDR-Paß haben, um Aufmerksamkeit zu erlangen.

In einer Agenturmeldung, die sich auf die Botschaft berief, hieß es, es seien nur zwei BRD-Bürger in Haft gewesen. Wie erklärt ihr das?

Die wußten ganz genau Bescheid, wollten aber nichts damit zu tun haben. Die Strategie der CSSR, den Ausländern alles in die Schuhe zu schieben und die Informationen zu unterbinden, ist voll aufgegangen.

Was habt ihr jetzt vor?

Wir haben an das Auswärtige Amt in Bonn und die Botschaft in Prag Protestbriefe geschrieben. Die Amerikaner jedenfalls waren nach einem halben Tag Knast wieder draußen.

Interview: Klaus-Helge Donath