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Neulich am Fegefeuer

■ Jim McBrides Jerry-Lee-Lewis-Film „Great Balls of Fire“

1957nimmt Jerry Lee Lewis Whole lotta shakin‘ goin‘ on auf. Seine Version dieses Stücks läßt keinen Zweifel daran, worum es beim shakin', beim Rock'n‘ Roll geht: ums Untenrum. Radiostationen boykottieren die Platte, Kirchenmänner verdammen die Teufelsmusik, die dadurch erst richtig populär wird. Great Balls of Fire und Highschool Confidential folgen und machen Jerry Lee Lewis fur kurze Zeit reicher und berühmter noch als King Elvis. Aber anders als Presley, der sich sehr rasch der zwangssterilen, von religiösem Eifer durchtränkten US-Moral anpasst, Mamas Liebling, Tablettenesser und in the ghetto alt und fetto wird, bleibt Jerry Lee Lewis die Verkörperung des bad boy.

Für das puritanische weiße Amerika sind seine Konzerte ein Vorgeschmack der Hölle: schneller, harter Beat, aufreizende, vorwärtstreibende Baß- und Gitarrenlinien, und am Klavier der Verführer: Jerry Lee Lewis kickt mit der Hacke den Klavierhocker nach hinten, springt aus dem Stand auf die Pianotastatur, schwingt den Arsch, hämmert mit der Linken Stakkati und reißt mit der Rechten Glissandi durch die Tasten, er jault und ächzt und brüllt, schüttet Feuerzeugbenzin ins Klavier und zündet ein wärmendes Fegefeuer an. Du mußt entweder heiß sein oder kalt, sagt er, wenn du lauwarm bist, wird der Herr dich ausspucken.

Angespuckt wird Jerry Lee Lewis schon sehr bald: Als er eine 13jährige heiratet, noch dazu, ohne von seiner zweiten Frau rechtskräftig geschieden zu sein, wird er als krankhafter Kinderschänder verhackstückt. Aus ist's mit Ruhm und Reichtum, es folgen die branchenüblichen Exzesse, Sex and Drugs and Alcohol.

Jim McBride's Great balls of Fire ist ein schlechter Film, oberflächlich und müllig. Heirat und Ehe mit der 13jährigen Myra Lewis werden verkitscht und geschönt, der Humor ist eher von der unfreiwilligen Art, Hauptdarsteller Dennis Quaid chargiert sich durch alle Klischees einer Rock'n‘ Roller-Existenz und setzt 90 Minuten lang sein Dumm -fickt-gut-Gesicht nicht ab. Immerhin aber macht Jim McBride keinen Hehl daraus, daß Rock'n‘ Roll schwarze Musik ist. Und die entschädigt für die Bilder, die um sie herumgestümpert worden sind: Jerry Lee Lewis hat für Great Balls of Fire seine alten Stücke noch einmal neu aufgenommen, und sie haben nichts von ihrem Feuer verloren. Es ist keine Pose, wenn der Mann I'm a wild one singt. Dieses Tier ist echt.

Wiglaf Droste

Jim McBride: Great Balls of Fire, USA 1989, 90 Min., mit Dennis Quaid, Musik Jerry Lee Lewis

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