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Ein Herz für Männer...

■ ...hat „Radio Ellen“, Schwedens einzige Frauensendung

„Einfach aufstehen und laut sagen, was sie denken“ - das wollen die Frauen von „Radio Ellen“. Auf die Füße treten, wollen sie dabei niemandem. „Radio Ellen“ ist die einzige überregionale Frauensendung des schwedischen Hörfunks. Knapp eine Stunde jeden Samstagmorgen haben die Redakteurinnen Zeit, um über den Äther zu schicken, was die Frauen in Schweden und in der Welt angeht.

In kurzen Reportagen, Berichten und einem Nachrichtenblock am Ende der Sendung informieren sie über Themen, wie Frauen in der Arbeitswelt, Gewalt gegen Frauen und die Situation von Frauen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Das Programm soll Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen. „Mehr Verständnis der Geschlechter füreinander“ erhoffen sich die Programmacherinnen von den Diskussionen, zu denen sie mit ihrer Sendung anregen wollen. Yvonne Ihmels, die freiberuflich für „Radio Ellen“ arbeitet, legt Wert auf ein Programm „ohne Feindseligkeiten“ gegen Männer. So paßt es ins Bild, daß eine Frau, die von ihrem Mann verprügelt worden war, in der Sendung nicht etwa über ihre Wut, sondern über das Verständnis für ihren Mann sprach, dem sie „nicht böse sein kann.“

Soviel Verständnis erhoffen sich wohl auch die zahlreichen Männer, die nach der Sendung in der Redaktion im nordschwedischen Umea anrufen. Rund die Hälfte aller HörerInnenanrufe, erzählt Yvonne Ihmels, komme von Männern, die einer Frau endlich einmal ihr Herz ausschütten wollten. Bei „Radio Ellen“ stoßen sie damit auf offene Ohren. In der schwedischen Gesellschaft seien die Frauen so emanzipiert, daß sie gegenüber den Männern nicht so hart auf Konfrontationskurs gehen müßten, wie es Frauen in der Bundesrepublik täten, erläutert Yvonne Ihmels die grundsätzliche Haltung der Redaktion. Auf Besuch in der Bundesrepublik fühlte sie sich viel stärker als zu Hause der Männer-Anmache ausgesetzt. „In Schweden kann ich abends alleine in die Kneipe gehen, ohne daß ich gleich belästigt werde.“

Auch die berufliche Situation der Schwedinnen scheint auf den ersten Blick gut zu sein. Fast die Hälfte der vier Millionen Erwerbstätigen in Schweden sind Frauen. Doch arbeiten viele von ihnen in schlechter bezahlten Berufen oder in Teilzeitjobs. Neben ihrem Beruf erledigen immer noch die Frauen die meiste Hausarbeit und tragen die Hauptverantwortung für die Kinder.

Innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Schweden hätten die Frauen eine schwache Lobby, berichtet Yvonne Ihmels. In den Chefetagen gäbe es keine Frauen. Männer entschieden allein über das Rundfunkangebot. „Es ist sehr schwierig, über Frauenfragen zu sprechen.“ Entgegen dem Mythos vom Land der freien Liebe sind Themen, wie der eigene Körper und Sexualität tabu.

Als Yvonne Ihmels einen Beitrag über die Anti-Porno -Kampagne in der Bundesrepublik machen wollte, gab es Ärger mit dem Tontechniker. „Der hat sich wohl auf den Schlips getreten gefühlt.“

Ute Bertrand

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