: „Ich will ein neues, freies Namibia“
Die 39jährige deutschstämmige Michaela Hübschle ist eine der fünf Weißen, die bei den für den 7. bis 11. November angesetzten Wahlen in Namibia für die Swapo kandidieren wird ■ I N T E R V I E W
taz: Wie kamen Sie zur Swapo?
Michael Hübschle: Ich habe mich schon seit Jahren für ein neues, freies Namibia eingesetzt. Wenn man die Ungerechtigkeit hier im Lande sieht, kann man nicht anders. Ich bin eben ein Kind des Landes, war seit Jahren interkirchlich aktiv gewesen. Mein Ziel bei dieser Arbeit war und ist eine nicht-rassische Gesellschaft. Die ethnischen Konflikte wurden hier über die Jahre aufgeheizt. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Rolle der Frau. Man muß schauen, wie man den namibischen Frauen hilft, die bis jetzt im Schatten standen, nie die Möglichkeit hatten, eine Ausbildung zu bekommen, schreiben und lesen zu lernen. Ich will, daß es zu einer Gleichstellung der Frauen kommt.
Die deutschstämmige Minderheit im Land, das sind 25.000 bei 1,5 Mio. Gesamtbevölkerung, orientiert sich stark am südafrikanischen Besatzer (etwa 55.000). Die Stimmung unter den Weißen ist konservativ bis reaktionär. Am 12.9. wurde Anton Lubowski, der weiße Rechtsanwalt und Swapo-Mitglied, in Windhuk erschossen.
Meine Familie hat die ganzen letzten Jahre sehr unter Psychoterror leiden müssen. Ob das nun anonyme Anrufe waren, Briefe oder sonstwas. Bei den liberalen Weißen hier gab es ebensolche Vorfälle. Letztes Jahr kursierten Flugblätter mit einer Zielscheibe vor Antons Gesicht. Da wurden Leute aufgefordert, darauf zu schießen und das dann an Lubowskis Adresse zu schicken. Ich bin aber nicht, wie Lubowski und andere, etwa die Journalistin Gwen Lister oder der Anwalt David Smuts, mit dem Tod bedroht worden. Bei uns war das anders. Meine Tochter wurde an der Schule von MitschülerInnen beschimpft. Letzte Woche ging ich aus dem Haus und in dem Moment hörte ich einen ohrenbetäubenden Knall. Da hatte jemand genau vor unserem Haus gehalten und einen Schuß aus dem Auto in die Luft abgegeben.
Das macht doch sehr Angst.
Ja. Aber man darf es doch nicht so weit kommen lassen, daß diese Leute mit ihren Einschüchterungen und Beschimpfungen ihr Ziel erreichen, daß wir nur noch Nervenbündel sind und eine Decke der Angst über uns liegt. Wir wollen das überwinden.
Die Swapo spricht von „nationaler Versöhnung“. Ist der politische Mord an Anton Lubowski nicht eine Tragödie für Namibia?
Anton Lubowski hat sehr viel für unser Land getan. Er hat Brücken gebaut. Es ist für uns unakzeptabel, daß die Mörder nicht gesucht und gefunden werden. Versöhnung bleibt aber unser Hauptanliegen. Wir hoffen deshalb, daß die Mörder gefaßt werden und es zu einem Prozeß kommt.
Wird bei einem 2/3-Sieg der Swapo die weiße Minderheit das Wahlergebnis akzeptieren?
Es gibt viele in der Bevölkerung, die glauben, Swapo kriegt vielleicht 40 Prozent, und die südafrikafreundliche Demokratische Turnhallen Allianz 60 Prozent. Diese Leute haben nie die Realität erkannt. Für Extremisten wird es hart, einen Swapo-Sieg zu akzeptieren. Ich hoffe, daß die Weißen bleiben, und überlegen, wo sie tätig werden, wo sie helfen können, unser Land aufzubauen, daß es zur Zufriedenheit aller ist.
Glauben Sie, daß viele Weiße gehen werden?
Viele planen jetzt, sich nach Südafrika abzusetzen. Ich halte diesen Schritt nicht für klug, denn Südafrika hat seine eigenen Probleme. Auch dort wird sich in den nächsten Jahren einiges zuspitzen, wenn nicht eine friedliche Regelung gefunden wird, das ganze Apartheid-System abzuschaffen.
Interview: Andrea Seibel
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