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Folterknecht Bussi ist Wahlsieger in Tucuman

General Bussis „Republikanische Kraft“ bekam bei den Wahlen für das argentinische Provinzparlament 60 Prozent der Wählerstimmen Der Foltermeister der Diktatur bedient sich heute der Demokratie / Menems Regierung könnte der Hardliner noch nützlich werden  ■  Aus Buenos Aires Gaby Weber

Die erste Wahl in Argentinien nach dem Regierungsantritt der Peronisten fand am Wochenende in der Provinz Tucuman im Norden des Landes statt. Für die Peronisten war sie eine Schlappe, zu mehr als 33 Prozent hatte es nicht gereicht. Siegerin der Wahlen für das Provinzparlament in Tucuman wurde die „Republikanische Kraft“ (FR) mit 60 Prozent. Und der große Gewinner war der Gründer und Parteichef der Republikaner, Antonio Domingo Bussi. Der General im Ruhestand war in den siebziger Jahren Chef der Spezialeinheiten für Aufstandsbekämpfung in Tucuman. Seine „Spezialität“ sollen Verhöre auf einem Grill gewesen sein, bei denen der Verdächtige langsam verbrannt wurde. Aufzuklären ist das nicht, denn der frühere Befehlshaber konnte sich auf das „Gesetz über den geschuldeten Gehorsam“ berufen - die Verfahren wurden eingestellt.

Die nordwestliche Provinz ist dicht besiedelt, und die nahen Berge bieten Schutz vor Verfolgung. Zeitweise kontrollierte die Guerilla ERP ganze Landstriche - bis 1975 Regierungstruppen in die Provinz abkommandiert wurden. Hier entstand das erste Konzentrationslager, wurde die Methode des Verschwindenlassens trainiert.

Während Bussi gegen die städtische Linke mit offenem Terror vorging, vermied er eine frontale Auseinandersetzung mit dem ERP. Der General, der zuvor Erfahrungen in Vietnam gesammelt hatte, schnitt dessen Versorgungslinie durch. Mitten im Guerilla-Gebiet in den Zuckerrohrfeldern, ließ Bussi über Nacht vier Wehrdörfer errichten, in die er die verstreut lebenden Bauern steckte. Nun mußte sich der ERP in die Dörfer wagen, um Vorräte einzukaufen, und ging dort den Militärs ins Netz.

Bussi wollte die Guerilla nicht nur militärisch zerschlagen. Soziale Faktoren, erklärte er, nähren die Subversion. Plötzlich hatte der Bauer statt einer Hütte ein festes Dach über dem Kopf, für die Kinder gab es Schulen und Spielplätze, für die Kranken einen Arzt, und es entstanden plötzlich neue Arbeitsplätze. Buenos Aires pumpte Millionen nach Tucuman, um die Infrastruktur zu verbessern. Bussi rührte die Werbetrommel für den Tourismus, um vorzuführen, wie schön der „Garten der Republik“ ohne „Subversion“ sei.

Der Militär blieb zwei Jahre in Tucuman. Zehn Jahre später, 1987, ließ er sich als Kandidat einer völlig unbedeutenden Partei aufstellen und erhielt auf Anhieb 20 Prozent. Bussi ist weder Demogoge noch besitzt er Charisma. Seine Devise heißt: Recht und Ordnung. Sein Wahlslogan: „Ich kehre Tucuman aus.“ Das Symbol der Republikaner: ein Besen. Noch in der Wahlnacht rief Bussi zum Feiern auf die Straße, jeder solle einen Besen mitbringen.

Gerade bei den Armen kam er damit an. „Damit es wieder bergauf geht“, so begründet ein Popkorn-Verkäufer seine Stimme für Bussi. Was Folter und Mord angeht: „Wenn er das nicht gemacht hätte, hätte er Tucuman nicht in den Griff gekriegt.“ Ein 26jähriger Kellner hat ihn gewählt, „weil er viel arbeitet“. Was die Verletzung der Menschenrechte angeht: „Das haben doch alle gemacht. Die Politiker versprechen viel und halten nichts.“ Und der junge Arbeiter, dessen Vater Bussis Leute damals ermorden ließen, begründet seine Wahl des Generals mit der „Korruption aller Politiker“.

In der Tat hat die Vetternwirtschaft in Tucuman selbst für Argentinien ungewöhnliche Ausmaße angenommen. Nur die Männer der Regierung haben märchenhafte Gehälter, während die Provinz pleite ist. Löhne werden mit Gutscheinen ausgezahlt und meist mit wochenlanger Verspätung. In den fünf Jahren Demokratie ging es rapide bergab, der Zuckerpreis sackte in den Keller; das Bruttosozialprodukt der Provinz fiel um 20 Prozent. Um die Arbeitslosenstatistik zu schönen, blähte der peronistische Gouverneur den öffentlichen Dienst auf und stellte weitere 40.000 Angestellte ein. Offiziell machen die Erwerbslosen 25 Prozent aus. Unter- und Fehlernährung vor allem bei Kindern liegt bei 40 Prozent.

Daß Leute wie General Bussi zum Hoffnungsträger werden, scheint den regierenden Peronisten nicht unrecht zu sein. Ihr Kandidat bei den Provinzwahlen war selbst von der eigenen Partei als zweite Wahl abgewertet worden.

Nach dem peronistischen Wahlsieg im Mai sind in das Kabinett des Rechtsaußen Carlos Saul Menem immer mehr Nicht -Peronisten aufgenommen worden, die einzige Voraussetzung war die ultrarechte Gesinnung. An der Basis brodelt es, Menem erfährt immer deutlicher Ablehnungen. Noch sorgen die Funktionäre für Ruhe. Sie wollenMenem Zeit geben. Doch Zeit wofür? Hat Menem nicht verkündet, daß er nach fast zwei Jahren Unterbrechung wieder den Schuldendienst bedienen wolle? Mit neuen Hungerrevolten und Plünderungen rechnet man in Buenos Aires, und dann sind erfahrene Leute vom Schlage eines Bussi gefragt.

Der General wohnt im besten Viertel von Buenos Aires; einmal pro Woche fährt er in seinen Wahlkreis, wo er im Grand-Hotel eine Suite belegt. „Ich bin ein glücklicher Mensch und mit dem Leben zufrieden“, beginnt der General im Ruhestand das Interview mit der taz. Daß die ausländische Presse immer wieder mit den „angeblichen“ Menschenrechtsverletzungen anfange, hat er geahnt. Dieser Vorwurf entspringe der „Ideologie der ewigen Verlierer“, und im Übrigen habe damals Krieg geherrscht, der grausam sei und Opfer fordere. Zu Folterungen sei es nie gekommen. Bussi: Wegen der christlichen Ausbildung hätte der argentinische Soldat mehr gelitten als das Opfer, wenn er foltern mußte. Der frühere Gouverneur unter der Diktatur ist inzwischen zu einem Beschützer der Demokratie geworden. „Aber Demokratie ist mehr, als nur in Freiheit zu leben“, so weiß er, „es gibt auch ein Recht auf ein würdiges Leben, das Recht auf Gesundheit, auf eine Arbeit, auf eine Wohnung.“

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