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Jetzt auch Ost-CDU auf Einheitskurs

■ Zweitägiger Sonderparteitag in Ost-Berlin / Abrechnung mit 40 Jahren „Unterdrückung und Bevormundung“ / Wirtschaft der DDR müsse der BRD angeglichen werden / Parteiprogramm soll erneuert werden

Ost-Berlin (ap/taz) - Mit einem Bekenntnis „zur Einheit der deutschen Nation“ und einer „sozialökologischen“ Marktwirtschaft in der DDR hat der Vorsitzende der DDR -Christdemokraten, Lothar de Maiziere, am Freitag einen zweitägigen Sonderkongreß seiner Partei in Ost-Berlin eröffnet. Der 48jährige forderte in seiner Grundsatzrede eine Prüfung der künftigen Gestaltung der innerdeutschen Beziehungen, bis „die Einheit der deutschen Nation mit den notwendigen Friedensgarantien für uns Deutsche wie unsere Nachbarn auch staatlich realisiert werden kann“.

Der Parteitag der DDR-CDU war am Vormittag mit über 800 Delegierten in einem Ostberliner Kinosaal eröffnet worden. Noch am Freitag sollte der Kongreß über den Entwurf einer neuen Satzung entscheiden, der die bisherigen zentralistischen Strukturen auflöst. Für heute stehen nach Angaben der Partei Beratungen über ein neues Programm sowie die Neuwahl des Vorstandes auf der Tagesordnung.

De Maiziere, der als stellvertretender Ministerpräsident in der Regierung Hans Modrow für Kirchenfragen zuständig ist, sprach sich für eine grundlegende Erneuerung von Staat und Gesellschaft aus und plädierte auch für eine Erneuerung der CDU nach westlichem Vorbild. Mit drastischen Worten rechnete er zugleich mit 40 Jahren SED-Herrschaft ab. Der Parteivorsitzende verlangte die Wiederherstellung der alten Länderstruktur der DDR und eine Länderkammer im Parlament.

Zur künftigen Wirtschaftspolitik der DDR forderte de Maiziere die uneingeschränkte Abkehr „von Willkür und Schematismus“. Er sagte, die „katastrophale“ Wirtschaft der DDR könne nur durch Kapital aus westlichen Ländern saniert werden. Dies sei weder Erpressung durch westliche Monopole noch Ausverkauf der DDR, sondern „die einzige Logik des marktwirtschaftlichen Denkens, das auch wir uns anzueignen entschlossen sind“. Ein besserer Lebensstandard sei nur durch „weitestgehende Anpassung und Integration der Wirtschaften von Bundesrepublik und DDR zu erreichen“. Zur künftigen Politik der DDR-CDU sagte de Maiziere, sie müsse vor allem für Rechtsstaatlichkeit, eine europäische Friedensordnung und Solidarität mit den Entwicklungsländern eintreten. Sie müsse sich gegen jede Form von Nationalismus, Faschismus und Antisemitismus stellen.

Zur Rolle der 140.000 Mitglieder umfassenden DDR-CDU zu Zeiten des Stalinisimus sagte de Maiziere: „Wir haben es nicht nur mit einem halben Jahr des Bankrotts, sondern mit 40 Jahren DDR-Geschichte und CDU-Geschichte zu tun, die diesen Bankrott vorbereiteten.“ Der 49jährige sprach von „Mißwirtschaft, Fehlern und Verbrechen“ und fügte hinzu, der sogenannte demokratische Zentralismus in der DDR habe ein politisches System hervorgebracht, „das durch Druck und Zwang, durch Diktatur ersetzen wollte, was es zuvor an freier Selbstbestimmung, an Initiativen, an menschlicher Solidarität zerstörte“. De Maiziere munterte seine Parteifreunde mit dem Hinweis auf, auch die CDU sei ein Teil des Volkes und habe unter dem System gelitten. Jetzt habe „das Volk der DDR, das lange daran gewöhnt war, mit gebeugtem Rücken zu schweigen, aufrechten Gang gelernt und seine Sprache gefunden“.

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