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Einig Vaterland?-betr.: Deutschland, Deutschland...

betr.: Deutschland, Deutschland...

Jener Staat, dessen „freie Wahlen“ nur aus Gründen der Biologie nicht mehr frühere Goebbels-Mitarbeiter zu Kanzlern und ehemalige KZ-Baumeister zu Präsidenten zu machen vermögen, triumphiert: Binnen weniger Wochen schaffte er es, sein System der freien politischen Konkurrenz auch in der DDR durchzudrücken. Dieses westlich-parlamentarische System, das heutzutage so umstandslos als „die Demokratie“ gehandelt wird, obwohl ein Blick auf die mörderische US-Invasion in Panama die fundamentale Wahrheit ins Gedächtnis rufen müßte, daß Völker, die andere unterdrücken, selbst nicht frei sein können.

Aber der noch größere Triumph besteht darin, daß die absurde Idee einer, via Anschluß der DDR zu realisierenden Wiedererrichtung des Bismarck-Reichs mittlerweile zum ernsthaften Thema politischer Diskussion geworden ist. Wobei die Ostgrenzen des angestrebten vierten Reichs noch in keinster Weise klar sind. Weizsäcker redet so - Waigel eben anders.

Und selbst Weizsäcker, der ja geradezu als der Friedensengel in Person präsentiert wird, konnte sich in seiner Weihnachtsansprache nicht zurückhalten, jenen inzwischen zum Staatspräsidenten der CSSR gewordenen Helden des deutschen Buchhandels zu zitieren, der das „Unrecht“ der Vertreibung der, weiland die Hitlertruppen bejubelnden, Sudetendeutschen anprangerte! Durch hochdosierte Nationalitätsduselei soll die einfache Wahrheit vernebelt werden, daß das „einig Vaterland“ in den 75 Jahren seiner Realisierung immerhin zweimal die Welt in Scherben schlug, und daß die jetzige Dreigliederung in Bundesrepublik, DDR und Österreich die einzig sinnvolle Lösung der „deutschen Frage“ ist. Warum in diesem Zusammenhang sich die Modrow -Regierung veranlaßt sah, das widerliche Rührspektakel mit dem Titel „Weihnachten am Brandenburger Tor“ zu ermöglichen, bleibt ihr Geheimnis.

In jedem Fall aber ist es an der Zeit, zu Großdeutschland deutlich NEIN DANKE zu sagen.

Thomas Pfleiderer, Winnenden

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