: Ein Verhandlungstag im PKK-Prozeß
■ Übersetzungsprobleme, hitzige Wortgefechte / Noch immer ist unklar, wann die Anklage verlesen wird / Jeder Prozeßtag kostet mehrere zehntausend Mark / Mehrheitlich kurdische Zuschauer
Düsseldorf (dpa) - Mittwoch, 3.Januar, 20. Verhandlungstag im Düsseldorfer Kurdenprozeß. Wie am Tag zuvor kann dieser Termin erst mit eineinhalbstündiger Verspätung beginnen. Ein Angeklagter, der sich nicht in Untersuchungshaft befindet, muß sich wegen eines Magenleidens in einem Kölner Krankenhaus behandeln lassen. Gericht, drei Bundesanwälte, fast 40 Verteidiger, die übrigen 17 Angeklagten und die Zuhörer in den vollbesetzten Bänken müssen warten. Dann geht die Verhandlung los, stockt aber nach kurzer Zeit für weitere 45 Minuten: Übersetzungsprobleme. Wie so oft zuvor klappt die Übertragung einer auf kurdisch vorgetragenen Erklärung zuerst ins Deutsche und dann ins Türkische nicht. Bis zur Mittagspause ist das Verfahren nicht nennenswert vorangekommen.
Der Prozeß vor dem 5. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts, in dem es um Fememorde und Bestrafungsaktionen gegen ehemalige Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gehen soll, kreist um sich selbst. Noch immer ist der umfangreiche Antrag der Verteidiger auf Einstellung des gesamten Verfahrens nicht abgeschlossen, steht der Zeitpunkt, wann die Anklageschrift verlesen werden kann, in den Sternen. Wieviele Jahre wird der Prozeß dauern?
Während Anwälte und Angeklagte ihre Kritik an Vorverurteilung und willkürlicher Anklagekonstruktion seitens der Bundesanwaltschaft, an Haft- und Prozeßbedingungen mit der umstrittenen Plexiglastrennwand vorbringen, entwickeln sich immer wieder Szenen wie diese: Die Anwälte rügen über ihre Vertrauensdolmetscher eine fehlerhafte Übertragung durch die vom Gericht bestellten Übersetzer. Die Rüge ihrerseits muß in zwei Sprachen übersetzt werden, ebenso die Antworten und Stellungnahmen von Gericht und Bundesanwaltschaft (BAW). Es geht kurz weiter im Text, bis der Vorsitzende oder ein BAW-Vertreter den Vorwurf der Prozeßverschleppung erhebt.
Die Folge: Proteste der Verteidiger, hitzige Wortgefechte. Die Angeklagten beschweren sich, es werde nichts mehr übersetzt, die Dolmetscher beschweren sich, sie bekämen in dem Durcheinander nichts mehr mit. Dann kommen Protokollierungsanträge über die gegenseitig erhobenen Vorwürfe, deren Ablehnung durch den Vorsitzenden und eine erneute Diskussion darüber mit dem Versuch, auch diese zweisprachig zu übersetzen. Verhandlungsunterbrechung.
Gelegentlich blitzt dennoch so etwas wie Heiterkeit in dem streng gesicherten Gerichtssaal auf. So etwa, als Bundesanwalt Gerhard Völz den Verteidigern fehlenden Humor vorwirft: Sie säßen da, „als seien sie die Erfinder des Sodbrennens“. Rechtsanwältin Edith Lunnebach aus Köln kontert: „Bei Ihrer Anklage läuft uns die Galle über, das hat mit Sodbrennen nichts zu tun.“
Die in der Mehrheit kurdischen Zuhörer verfolgen diese Art, einen Prozeß zu führen, weitgehend mit Unverständnis. Sie empfangen ihre Landsleute morgens mit prasselndem Applaus, stimmen ab und zu auch ein patriotisches Lied an. Eine Justizangestellte ist des Lobes voll: Selten hat sie in einem Düsseldorfer Terroristenprozeß so höfliche, zuvorkommende Beobachter erlebt. Den Steuerzahler kostet der Kurdenprozeß pro Verhandlungstag allein an Verteidiger- und Dolmetscherhonoraren geschätzte 25.000 bis 30.000 Mark.
Ulirch Hermannski
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