: Anschlag auf Nagasakis Bürgermeister
■ Mitglied einer rechtsradikalen Gruppe schießt auf den als Hirohito-Kritiker bekannten Hitoshi Motoshima / Bürgermeister außer Lebensgefahr / Mitschuld des Kaisers am Zweiten Weltkrieg
Tokio (ap/taz) - Der als Kritiker von Kaiser Hirohito bekannte 67jährige Bürgermeister von Nagasaki, Hitoshi Motoshima, ist am Donnerstag beim Einstieg in sein Dienstfahrzeug vor dem Rathaus niedergeschossen worden. Unter dem Verdacht, das erste Schußwaffenattentat auf einen japanischen Politiker verübt zu haben, ist fünf Stunden später von der Polizei der 40 Jahre alte Kazumi Tajiri festgenommen worden. Er soll den Anschlag laut Polizei gestanden haben.
Motoshima hatte mehrere Morddrohungen erhalten, nachdem er im Dezember 1988 dem Kaiser und Gott Hirohito eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg angelastet hatte: „Hirohito trägt Verantwortung für den Krieg.“ Außerdem hätte Hirohito den Krieg früher beenden und damit den Abwurf einer amerikanischen Atombombe auf Nagasaki im August 1945 vermeiden können, hatte der Bürgermeister gesagt. Solche Sätze sagen in Japan sonst nur die Kommunisten oder einige radikale Basisgruppen.
Der Verdächtige Tajiri wurde von der Polizei als Führer einer rechtsgerichteten Gruppe mit der Bezeichnung „Seikijuku“ beschrieben, was auf Deutsch etwa „Schule der vernünftig Denkenden“ heißt. Zuvor hat es in Japan bereits mindestens 25 Anschläge auf Politiker gegeben. Doch sie wurden nie mit einer Schußwaffe, sondern stets mit Messern, Schwertern, Fäusten und auch Sprengstoff ausgeführt. Das Attentat erfolgt kurz nach Beendigung der Trauerzeit für den verstorbenen Kaiser.
Motoshima wurde nach dem Anschlag sofort operiert. Die Kugel durchschlug seine linke Lunge, der Bürgermeister ist jedoch nach Angaben des Krankenhauses nicht in Lebensgefahr. Politiker aller Parteien verurteilten das Attentat. „Diese Tat ist abscheulich. So etwas darf in einer Demokratie nicht passieren. Meinungsfreiheit muß garantiert bleiben. Ich wünsche, daß die Wunde von Herrn Motoshima schnell verheilt“ , telegrafierte Ichiro Ozawa, Generalsekretär der regierenden „Liberal Demokratischen Partei“, der auch Motoshima angehört.
gb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen