Chaos bei „Grüner Woche“

■ DDR-Besucher werden alle Rekorde sprengen / EG-Markt '93 überholtes Thema / DDR zeigt Folklore und will Marktwirtschaft / Eröffnung morgen früh

Das große Geschiebe geht los: Zur diesjährigen 55. „Grünen Woche“ erwartet die AMK einen Besucheransturm wie nie zuvor. Kamen im letzten Jahr noch 461.000 Gäste, so werden dieses Jahr die DDR-Besucher wohl alle Rekorde sprengen. Bloß: Die 25 Messehallen unterm Funkturm können in den zehn Ausstellungstagen maximal 600.000 Besucher fassen.

Auf der gestrigen Pressekonferenz beschäftigte die Redner nur ein Thema: Welche politischen und wirtschaftlichen Perspektiven hat die Maueröffnung geschaffen? Manfred Busche von der AMK erinnerte nur kurz daran, daß die Landwirtschafts- und Ernährungsmesse sich eigentlich mit der Bedeutung des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes 1993 befassen wollte. Nun umfasse der „europäische Gesamtmarkt nicht nur die 325 Millionen Verbraucher im EG-Bereich sondern auch noch die 395 Millionen in den ost- und mitteleuropäischen Ländern“, so Busche.

Dieses Jahr ist die DDR noch nicht mit einer Länderschau vertreten. Ihre Teilnahme beschränkt sich auf die Ausstellung zweier LPGs, der Ausstellung „agra“ und dem Auftreten von Folkloregruppen. Gestern morgen zeigte der stellvertretende Landwirtschaftsminister der DDR, Peter Findeis, großes Interesse an der „Grünen Woche“. Vergleiche mit anderen Ländern, insbesondere der EG, bewiesen, daß der Produktionsaufwand in der DDR noch zu hoch sei, so der Minister aus dem Hammer- und Zirkelstaat. Die Wirtschaftsreform ziele deshalb auf „Eigenverantwortung, Marktwirtschaft und die Maximierung der Gewinne“ ab.

Aber nicht nur der plumpen Geschäftemacherei mit der DDR soll die „Grüne Woche“ dienen. Sie soll auch eine „Mittlerfunktion“ zwischen „Produzent und Konsument“ erfüllen. Mit dem Thema „Schweineproduktion“ soll das schwer angeschlagene Image der mit Hormonen aufgepeppelten Tiere aufpoliert werden. Kritische Aussteller wie der „BUND“, „Jugend Dritte Welt“ und der „Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung“ sind mit Gegenpositionen auf dem „Markt der Meinungen“ zu finden.

Morgen früh wird Walter Momper die Messe zusammen mit 50 „Persönlichkeiten“ aus Politik und Wirtschaft eröffnen. Schirmherr Bundespräsident von Weizsäcker wird die Messe erst am Nachmittag besuchen. Heute wird aber auch eine ganz andere Woche eröffnet: Das „Ökodorf“ beginnt in der Kurfürstenstraße 14 um 18 Uhr die „Giftgrüne Woche“ - eine schon traditionelle Gegenveranstaltung. Bis 10. Februar werden sich die Kritiker jeden Abend mit Themen wie Gentechnik in der Landwirtschaft, Probleme der konventionellen Landwirtschaft, der Tierzucht und der Dritten Welt beschäftigen.

Dirk Wildt