piwik no script img

Übermüdeter Fahrdienst

■ Die Bonner Prominenz läßt sich auf Staatskosten in die DDR zum Wahlkampf fahren / Ideologiefreie Schulbücher für das andere Deutschland

... Und schon ist's kaum mehr ein Klacks in diesen bewegten Zeiten. Was eben noch ein Ding schien, mit dem dieser Kasten gut zu füllen gewesen wäre, bleibt allenfalls ein aper?u. Etwa, daß die CDU das Gästehaus der Bundesregierung in West -Berlin nutzt, um sich mit ihr nahestehenden Oppositionsgruppen zu treffen. Oder zum Beispiel dies: Nicht wenige Bundestagsabgeordnete soll es geben, die zur Zeit auf SteuerzahlerInnen-Kosten in die DDR fahren - und dort Wahlkampf machen. Mit der sogenannten Fahrbereitschaft für die Fraktionen im Bundestag, heißt es, lassen sie sich umsonst etwa nach Halle oder Erfurt chauffieren und nehmen dort an Veranstaltungen ihrer Verbündeten teil. Offiziös bestätigt wird das zwar nicht. Es ist jedoch von Fahrern zu hören, die über lange Fahrten nach drüben klagen, „die jetzt im Wahlkampf natürlich oft anstehen“ - so erzählte einer von ihnen. Für Parteien und ihren Wahlkampf dürfen diese Wagen plus Chauffeur aber gar nicht genutzt werden. Sie stehen offiziell nur für die Arbeit der Fraktionen zur Verfügung. Ein Blick auf die Zeitung allerdings läßt solchen Mißbrauch richtig rührend erscheinen: 20 Millionen Mark will der Staat mal eben schnell den Stiftungen der Bundestagsparteien zusätzlich einpumpen, damit diese, laut Finanzministerium, „den Aufbau demokratischer Strukturen in der DDR fördern können“.

***

Ganz linke und freche SozialdemokratInnen: Es scheint sie ja doch noch zu geben. Da lädt die SPD-Parteizentrale in Bonn zu einer Großveranstaltung ein, an der unter anderen „Benito“ Craxi teilnehme. Nun wird ja Bettino Craxi, Vorsitzender der Sozialistischen Partei Italiens und ehemaliger Ministerpräsident, von Karikaturisten seines Landes tatsächlich als Benito Mussolini gezeichnet. Seine reaktionäre Politik, sein gnadenloser Führungsstil, der grenzenlose Kult um die eigene Person - das alles legt einen Vergleich mit dem „Duce“ wohl nahe.

***

Daß bundesdeutsche SozialdemokratInnen ihren herausragenden Genossen in der Sozialistischen Internationale so hart, wenn auch subtil angehen, verwundert dennoch. Oder war‘ „wirklich nur ein Flüchtigkeitsfehler“'wie die Parteisrecherin beteuert? Wahrscheinlich, seufz... soso, unsere bundesdeutschen Schulbücher sind also „objektiv“, „realistisch“, „wertneutral“ „weltanschaulich in keiner Weise festgelegt“ und „ideologiefrei“ sowieso. Das behauptet jedenfalls Josef Kraus, Präsident des konservativen „Deutschen Lehrerverbandes“. Und deswegen fordert er auch auf, „anspruchsvolles und ideologiefreies“ Unterrichtsmaterial in die DDR zu schicken. Hihi

Ferdos Forudastan

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen