piwik no script img

Agenteneinsatz des VS bestätigt

■ Bericht im Berliner Senatsausschuß zum Verfassungsschutz bestätigt Umtriebe verbeamteter Under-Cover-Agents in der Kreuzberger Szene

Berlin (taz) -Der Under-Cover-Mann des Berliner Verfassungsschutzes hatte Pech: Er wurde am 1. Mai 1988 bei der Randale in Berlin-Kreuberg von Mitgliedern der berühmt -berüchtigten Polizeitruppe „EbLT“ verprügelt. „Als ich mich umdrehte, sah ich, wie ein Polizeibeamter genau auf mich zurannte“, gab der VS-Mann seinen Vorgesetzten am 4. Mai zu Protokoll. „Ich wollte sofort wieder losrennen, rutschte aber aus und fiel hin. Im nächsten Moment war der Beamte schon über mir und schlug mit seinem Schlagstock mehrmals auf mich ein, wobei er auf die Körperteile unterhalb des Kopfes zielte“. Der malträtierte VS-Beamte wurde im Polizeitransporter „auf den Boden geworfen. Während der Fahrt wurde ich als Fußabtreter benutzt“, erinnerte sich der Agent, „ein Fuß eines Beamten stand auf meinem Kopf, während der Fuß eines anderen Beamten auf meiner rechten Wade stand.“

Gerüchte und Vermutungen, daß der Berliner Verfassungsschutz verbeamtete Spitzel auf die Kreuzberger Szene angesetzt hatte, gab es schon lange. Durch den 29seitigen Bericht der Projektgruppe Verfassungschutz, der am Donnerstag im Berliner Ausschuß für Verfassungsschutz erörtert wurde, wird das jetzt amtlich belegt.

Nach seiner Festnahme wurde der VS-Mann beschuldigt, auf ein Polizeifahrzeug einen Stein geworfen und getroffen zu haben. Bei der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung wies der Beschuldigte die Vorwürfe zurück und berichtete über die erlittene Mißhandlung. Der Ankläger glaubte ihm nicht. Als die VS-Vorgesetzten von den Vorgängen erfuhren, ahnten sie, daß ihr Mann in ein Desaster zu schliddern drohte, wenn er bei seinen Aussagen bliebe. Zu befürchten stand, daß der Agent auf Grund der Polizeiaussagen zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt werden könnte, was automatisch zu seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis führen mußte. Das abenteuerliche Ergebnis: Der VSler legte unter falschem Namen - ein falsches Geständnis ab. Das Urteil fiel dann erwartungsgemäß niedriger aus.

Der Vorgang ist symptomatisch für das Landesamt. Rechtlich problematisch war allein schon die Existenz verdeckter Ermittler, die zum Jahreswechsel '85/'86 von der Kripo zum VS wechselten. Im Sog der Skandale um den Berliner VS war Ende 1988 schließlich einer der Agenten enttarnt worden und der Komplex „verdeckte Ermittler“ auf die Tagesordnung des Verfassungschutz-Auschusses gesetzt. Die VS-Agenten sind inzwischen abgezogen, beteuerte Innensenator Pätzold in der letzten Ausschuß-Sitzung. Die EbLT-Truppe ist im Frühjahr letzten Jahres aufgelöst worden.

Wolfgang Gast

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen