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Homomahnmal wird eingeweihtGleichgestelt

63 Jahre nach Kriegsende wird das Denkmal für die von den Nazis verfolgten Homosexuellen eingeweiht. Lange waren sie die Schmuddelkinder im NS-Opferreigen.

Die feierliche Stimmung wird nicht die gleiche sein wie vor drei Jahren, als das Holocaust-Stelenfeld am Brandenburger Tor eingeweiht wurde. Immerhin aber - auch dies eine Überwindung für einen christdemokratischen Politiker wie Bernd Neumann - kommen PolitikerInnen aus der anderthalbten Reihe. Sie weihen am heutigen Dienstag das Homomahnmal am Tiergarten ein, genau gegenüber dem Feld gelegen, das an die Ermordung der europäischen Judenheit erinnern soll.

Die Dimension des "Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen" war von Beginn an kleiner. Anfang der 90er-Jahre machten sich homosexuelle Historiker daran, die deutsche Gedächtnisszene und deren hartnäckige Erinnerungsstörungen an das Leid homosexueller NS-Opfer zu kritisieren. Tausende Homosexuelle wurden zwischen 1933 und 1945 ermordet, in Konzentrationslagern waren sie die "warmen Brüder", die "Männer mit dem rosa Winkel". Sie waren Verfolgte, die auch durch Kommunisten und Sozialdemokraten im Widerstand nicht geschützt waren - und sogar für illegitime Opfer der NS-Zeit gehalten wurden. Aber die Initiative Gedenkort e. V. scheiterte, die Debatte um die Schoah ließ keinen Raum für Anliegen der Schmuddelkinder im NS-Opferreigen.

Der Beschluss des Bundestages, noch während der rot-grünen Regierungszeit gefasst, musste schließlich von der neuen schwarz-roten Bundesregierung umgesetzt werden - doch Kulturstaatsminister Bernd Neumann tat sich zunächst schwer. Zumal der Entwurf, der aus einem künstlerischen Wettbewerb siegreich hervorging, von Feministinnen etwa des Magazins Emma schroff kritisiert wurde. Michael Elmgreens und Ingar Dragsets geschwisterhafte Stele, die sie sich ersannen, sei ästhetisch ein Missgriff, obendrein werde der lesbischen Schicksale während der braunen Jahre nicht gedacht. Eine Kritik, die ins Leere lief: Weibliche Homosexualität stand, im scharfem Gegensatz zur männlichen, im NS-Deutschland nicht unter strafrechtlicher Drohung.

In einer Hinsicht hatten die KritikerInnen aber recht: Der Bundestagsbeschluss aus dem Jahre 2003 definierte das Mahnmal ausdrücklich, nämlich als eines, das auch in allgemeiner Hinsicht das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung betont. Ein Fingerzeig, der von den Initiatoren verstanden wurde; Elmgreen und Dragset mussten nachbessern. Aus dem Holzverschlag an der Ebertstraße gepult wird heute also ein Mahnmal, in dessen Mitte ein Videofilm läuft, auf dem zwei sich küssende Männer zu sehen sind. In zwei Jahren soll ein neuer Film für die Besucher installiert werden - möglich wäre dann auch das Bild zweier lesbischer Frauen, die sich liebend und begehrend berühren.

Der Kubus der beiden skandinavischen Künstler, 3,5 Meter hoch, 1,90 Meter breit und 5 Meter lang, wird von Kulturstaatsminister Neumann als "eine würdige Form der Erinnerung an die Opfer" charakterisiert. Ungesagt bleibt bei diesem Satz, das dessen Partei die Nazifassung des Paragrafen 175 bis 1969 gelten ließ - 54.000 schwule Männer sind quasi vom nationalsozialistischen Deutschland zu Recht verurteilt und terrorisiert worden, 7.000 von ihnen in Konzentrationslagern ermordet.

Berlin, in Europa wie zuletzt während der Weimarer Republik das attraktivste Reiseziel aller sexuell Anderen, hat mit der Einweihung dieses Gedenksteins eine Attraktion mehr. Er liegt inmitten von Sträuchern, Hecken und tief hängenden Baumzweigen - eher unsichtbar aus der Perspektive der Besucher des Holocaust-Stelenfelds.

Nach den Juden und den Opfern von Euthanasieprogrammen haben damit auch Homosexuelle in Berlin einen staatsoffiziellen Ort des Gedenkens. In Planung ist nun noch ein Mahnmal für die durch das NS-Deutschland ermordeten Roma und Sinti. Immerhin, im 63. Jahr nach Kriegsende ist für deren Andenken schon eine Baugrube ausgehoben worden.

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