: Umweltökonomen wollen ökologisches Deutschland
■ Arbeitsgruppe Ökologische Wirtschaftspolitik kritisiert einseitige wirtschaftliche Dimension der Vereinigung
Bonn (taz) - Die Reihe der Nachdenklichen wird länger: Am Dienstag klagten in Bonn Umweltökonomen aus beiden deutschen Staaten ökologische Strukturreformen als unverzichtbaren Bestandteil eines ökonomischen Neubeginns in der DDR ein. Die als Arbeitsgruppe Ökologische Wirtschaftspolitik auftretenden 60 WissenschaftlerInnen bemängeln die „einseitige ökonomische Dimension der Vereinigungsbestrebungen“. Dies könne die Chance der Korrektur grundlegender Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu Fall bringen.
„Auch eine akzeptable Umwelt“, so heißt es in der Erklärung, „gehört zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung“. Dazu müßten Strukturelemente der DDR -Wirtschaft genutzt werden, auch wenn sie aus Defiziten resultierten wie etwa in der Abfallentsorgung. „Wir haben eben noch keine eigene Müllawine“, meinte Liane Möller, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Akademie der Wissenschaften. In dem Papier wird dazu vor den Konsequenzen für DDR und BRD gewarnt - den Umweltbelastungen durch die Mülltransporte - und dem Problem, daß Abfallvermeidungs- und Wiederverwertungstechnologien nicht realisiert würden.
Einen weiteren Schwerpunkt legt die Gruppe im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Sie sieht den kurzfristigen Zielkonflikt zwischen Umweltschutz und hohem Beschäftigungsstand. Der ökologische Umbau könne aber mittelfristig mehr und überwiegend hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Dietmar Lucht von der Hochschule für Ökonomie nannte hier die Dezentralisierung im Energiesektor als Beispiel.
Zu der Erklärung gehört auch ein Katalog von Sofortmaßnahmen. Darin wird ein Altlastenkataster gefordert. Liane Möller sprach von einem „Belastungsatlas“, der in Belastungsart, Territorien und Langfristigkeit der Verschmutzung gegliedert sein müsse. Erst dann könne die derzeit herrschende „Euphorie“ des Aufräumenwollens konkret gemacht werden. Außerdem plädieren die UnterzeichnerInnen für die Bildung unabhängiger Institute mit ökologischen Forschungsprogrammen. Die in Bonn geäußerte Kritik richtete sich nämlich auch an die eigene Zunft: Die „etablierten wissenschaftlichen Beratungsgremien“ hätten offenbar den Versuch aufgegeben, sich mit einer eigenständigen, fundierten Position Gehör zu verschaffen.
Christian Füller
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