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Interflug-Mitarbeiter für Verkauf an die Lufthansa

■ Urabstimmung: 91,4 Prozent / Streit um Kompetenzen des Kartellamtes geht weiter / Biedenkopf: Deutsch-deutsche Integration nicht vorab beeinflussen

Berlin/Frankfurt (ap/taz) - Nicht alle Beschäftigten großer DDR-Firmen haben Angst vor dem Verkauf an westliche Firmen. Die Deutsche Lufthansa jedenfalls kann bei der DDR-Fluglinie Interflug eine Minderheitsbeteiligung von 26 Prozent übernehmen, wenn es nach den Mitarbeitern der Ost-Airline geht. Die sprachen sich jetzt in einer Urabstimmung über eine solche Absichtserklärung der bundesdeutschen Gesellschaft zu 91,4 Prozent für eine solche Beteiligung aus. In der Bundesrepublik geht derweil die Diskussion weiter, ob ein derartiger Zusammenschluß vom Bundeskartellamt genehmigt werden müsse.

Die Lufthansa erklärte in Frankfurt, nun müsse die Beteiligung vertraglich geregelt werden. Der Vorstandsvorsitzende Heinz Ruhnau hatte vor einigen Tagen erklärt, vor der Beteiligung müsse Interflug bewertet werden, damit klar werde, wieviel Geld die 26 Prozent überhaupt bedeuten. Diese Bewertung könne etwa im Juni vorliegen. Laut der Ostberliner Nachrichtenagentur 'adn‘ stellte Ruhnau ein Beteiligungsmodell für Mai in Aussicht.

Die 7.000 Interflug-Mitarbeiter beteiligten sich nach Angaben des Unternehmens zu 100 Prozent an der Abstimmung. Das Ergebnis unterstreiche, daß die Belegschaft von ihrem Betrieb Besitz ergriffen habe und seine Geschicke mitgestalten wolle, sagte Interflug-Generaldirektor Klaus Henkes der Ostberliener Nachrichtenagentur 'adn‘ zufolge. Eines indes steht auch fest: Airlines bieten in der Regel vielen ihrer Angestellten gehörige Privilegien - so zum Beispiel Freiflüge in die ganze Welt.

Gegen die angebliche Äußerung von Bundeskartellamtspräsident Wolfgang Kartte, seine Behörde werde den Zusammenschluß nicht genehmigen, wandte sich am Dienstag in Bonn der CDU-Bundestagsabgeordnete und künftige Hochschulprofessor in Leipzig, Kurt Biedenkopf. Die Zeitung 'Die Welt‘ hatte Kartte dahingehend zitiert, daß seine Behörde für eine Beteiligung kein grünes Licht geben werde. Als Grund nannte er dem Blatt zufolge eine übermäßige Verstärkung der Marktposition der Lufthansa, vor allem durch den Zugriff auf Landerechte. Biedenkopf sagte in einer Presseerklärung, es sei nicht Aufgabe des Amtes, Fragen der wirtschaftlichen Integration der beiden deutschen Volkswirtschaften vorab zu beeinflussen. Auch sei rechtlich ungeklärt, ob das Kartellamt sachlich zuständig sei, über die Kooperation mit einem Unternehmen in der DDR zu entscheiden. Entsprechend äußerte sich inzwischen freilich auch Kartellamtssprecher Hubertus Schön. In einem taz -Interview (Mittwoch-Ausgabe) bestritt Schön, daß sich Kartte derart konkret zu dem Fall in der 'Welt‘ geäußert habe. Sein Amt dürfe nur die Auswirkungen eines solchen Zusammenschlusses auf die marktbeherrschende Stellung in der Bundesrepublik prüfen. Solche Auswirkungen schloß der Sprecher allerdings auch nicht aus. Bislang liege im übrigen auch noch gar kein Antrag der Lufthansa vor, aufgrund dessen man entscheiden könne.

Lufthansa und Interflug haben bereits erste Schritte zum Zusammenwachsen der beiden Unternehmen vollzogen. Dazu gehörten die Bildung eines gemeinsamen Catering-Service‘ unter dem Namen „Interhansa“ am vergangenen Wochenende, der Gründung eines Ferienflugunternehmens zwischen Interflug und der Lufthansa-Tochter „Condor“ sowie einer Vereinbarung zwischen Interflug und dem Reservierungssystem „Amadeus“ Anfang März. Weiter sind unter anderem der gemeinsame Betrieb eines Simulators für den Airbus A 310 in Schönefeld, eine Software-Entwicklungsgesellschaft für die Reiseund Verkehrsbranche sowie die weitere Zusammenarbeit bei der Flugzeuginstandhaltung sowie beim Betrieb von Flughafenanlagen und -hotels im Gespräch.

ulk

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