: Rätselraten um CDU-Kirchner
■ Hessischer Landtag will mögliche Stasi-Tätigkeit des CDU-Generalsekretärs klären / Erfurter Bürgerkomitee übergab Liste prominenter Stasi-Spitzel der Staatsanwaltschaft
Berlin (taz) - Der Hauptausschuß des hessischen Landtags wird sich heute in einer Sondersitzung mit einer möglichen Stasi-Tätigkeit des Generalsekretärs der DDR-CDU, Martin Kirchner, befassen. In der von der SPD-Fraktion einberufenen Sitzung sollen unter anderem der hessische Innenminister Milde und der Chef des Landesamts für Verfassungsschutz, Scheicher, Auskunft geben, ob Kirchner sogar hauptamtlicher Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes war. Nach Informationen der hessischen SPD-Fraktion soll Kirchner bis vor kurzem noch auf den Gehaltslisten der Stasi gestanden haben. Kirchner hatte den Verdacht zurückgewiesen.
Der hessische Verfassungsschutz soll schon seit Ende Januar über Unterlagen eines ehemaligen hohen Stasi-Offiziers verfügen, aus denen die Geheimdiensttätigkeit des CDU -Generalssekretärs Kirchner hervorgeht. In der letzten Hauptausschußsitzung mußte Innenminister Milde (CDU) bestätigen, daß dieser Mann eine Liste mit 23 Namen prominenter Stasi-Mitarbeiter vorgelegt hat - darunter Kirchner und Schnur.
Die Regierungskommission zur Auflösung der Staatssicherheit in Erfurt, wollte gestern auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren, daß Kirchner Mitarbeiter oder Informant der Stasi war. Die Kommission hatte am Samstag öffentlich gewarnt, daß nach Durchsicht der Akten allein in ihrem Bezirk zahlreiche Spitzenpolitiker verschiedener Parteien als informelle Mitarbeiter für die Stasi tätig waren. Namen und Zahlen wollte das Bürgerkomitee jedoch aus Datenschutzgründen nicht nennen. Am Montag hat das Komitee aber einen versiegelten Briefumschlag mit den Karteikarten der prominenten Politiker, die für die Stasi gearbeitet haben, der Bezirksstaatsanwaltschaft zur sicheren Aufbewahrung übergeben. Was mit diesen Unterlagen nun passieren soll, ist ungeklärt. Das Neue Forum hatte bereits am Samstag die Wahlkommission der DDR aufgefordert, sämtliche Volkskammerabgeordnete auf eine frühere Stasi -Tätigkeit zu überprüfen.
Ve.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen