Bloß kein Streit mit der EG!

Der Weg ins Tokioter Industrie- und Außenhandelsministerium (MITI) endet zwangsläufig mit einer Enttäuschung. Keine Panzertüren, keine langen Auffahrten, nicht einmal Polizeikontrollen. Geradewegs ins Schaltzentrum japanischer Finanz- und Wirtschaftmacht führt die Treppe aus dem U-Bahn -Schacht.

Das Ministerium gleicht im Empfangssaal einer Bahnhofshalle. Entsprechend der Betrieb zur Mittagszeit. Auch die oberen Etagen lassen den Besucher nicht vom japanischen Reichtum träumen. Der Empfang beim Abteilungsleiter findet auf einer verschlissenen Couch statt, die in einem mit Schreibtischen überfüllten Großraumbüro neben einem lautstarken Drucker steht.

Trotzdem wird hier japanische Politik gemacht. Das MITI plante und verwaltete den japanischen Export-Boom der siebziger und frühen achtziger Jahre. Hohe Beamte in Tokioter Ministerien wollen ihren Namen nicht in der Presse sehen. Vor allem dann, wenn sie sich vorgenommen haben, ein offenes Wort zu reden. Soviel aber sei vorweg gesagt: Unser Gesprächspartner weiß über die Europäische Gemeinschaft recht gut Bescheid. Er ist ein jugendlich wirkender Herr von vielleicht 40 Jahren, die Nachwuchsgeneration der derzeitigen Führungselite. Was er zu sagen hat, betrifft uns nicht wenig.

Das MITI wünscht sich, daß es mit der EG nicht den gleichen Streit gibt wie mit den Vereinigten Staaten. Keine politischen Handelsgespräche auf Ministerebene, keine offene Machtprobe, kein öffentliches Gezänk. Das MITI will die Dinge im Griff behalten und nicht den Politikern übergeben; die US-japanischen Verhandlungen hätten gezeigt, welcher Schaden damit angerichtet werden könne. Gerne will das Ministerium deshalb den EG-Partnern versichern, daß alle marktöffnenden Maßnahmen, die sich Japan im Laufe des Handelsstreits mit den USA „selbst auferlegt“, natürlich auch den Europäern zugute kommen werden.

Alle diese Worte sind nicht zuletzt an EG -Kommissionspräsident Jacques Delors gerichtet, der noch bei dem Besuch des japanischen Premierministers Toshiki Kaifu im Januar gefordert hatte, die Gespräche zwischen der EG und Japan auf höchster politischer Ebene zu intensivieren. Ja, man denke an regelmäßige Ministertreffen, heißt es im MITI, aber wohl ist dem Beamten bei diesem Gedanken offenbar nicht.

Das angebliche Credo des MITI sind derzeit die importerleichternden Maßnahmen. Man habe den großen Umschwung von der japanischen Exportförderung zur Förderung des Imports der Handelspartner geschafft, brüstet sich das Ministerium. Tatsächlich werben in Japans Bussen und Bahnen MITI-Plakate für den Kauf ausländischer Produkte. Auch fällt dem Ministerium innerhalb der Regierung derzeit die Aufgabe zu, sich gegen alle anderen Ministerien für die US -amerikanischen Liberalisierungsforderungen stark zu machen. Doch ganz so ernst meint man es damit wohl nicht. Daß es der Westen mit seiner Japan-Kritik maßlos übertreibt, daran hegt auch der MITI-Beamte keinen Zweifel.

Osteuropa ist für ihn ein noch unbeackertes Feld. Es werde wohl noch einige Zeit dauern, bis japanische Unternehmen dort massiv antreten. Um so mehr würde sich eine Kooperation mit westdeutschen Firmen bei Projekten in Osteuropa anbieten. Konkrete Beispiele aber gebe es noch nicht. Schließlich betrachte man Europa als Ganzes, und da stehe der EG-Markt vorne an. Der Mitsubishi-Daimler-Dialog sei beispielsweise ein hoffnungsvolles Zeichen.

Welche Rolle aber fällt bei alldem dem MITI zu? Die Importe nach Japan zu erhöhen. Es gebe ja noch so viel Kritik in Europa. Mit Grund: das Handelsdefizit der EG-Länder mit Japan belief sich 1988 auf 22 Mrd. US-Dollar. Wird Kritik aber auch in Zukunft noch nötig sein, wenn sich in Japan möglicherweise ein wirtschaftlicher Abwärtstrend ergibt? Dann hätte das MITI frei, lacht der Beamte.

Aber daran will er nicht glauben. Schließlich seien nur die japanischen Politiker an den gegenwärtigen Schwierigkeiten Schuld, weil sie es vorzögen, sich gegenseitig zu raufen, statt der Nation Dienste zu leisten. Wenn die Krise wirklich naht, gibt er zu verstehen, werden Kaifu & Co. vorsichtiger werden, kommt das MITI erst recht wieder zum Zuge. Was es kann, wissen wir.