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 ■ P R E S S E S T I M M E N

Les Echos

Gorbatschow will Ordnung wiederherstellen, meint die französische Wirtschaftszeitung:

„Nachdem er lange zwischen allen möglichen heterogenen Kräften hat lavieren müssen, wobei er sich geschickt auf sein Prestige im Westen, besonders in den USA, gestützt hat, erscheint Michail Gorbatschow von nun an entschlossen, die Ordnung im Imperium wiederherzustellen. Auf die Gefahr hin, seinem Ruf zu schaden, hat er in der baltischen Frage und ganz allgemein in der Frage der Nationalitäten, den unerfreulichsten Teil seiner Persönlichkeit hervorgekehrt, den eines autoritären Wesens, das überzeugt ist, daß sich in dieser Angelegenheit im wesentlichen seine Zukunft entscheidet.

Für die Vereinigten Staaten gibt es für dieses Problem keine zufriedenstellende Antwort. Amerika, das zwischen Verständnis, wenn nicht gar Sympathie für die patriotischen Forderungen der nichtrussischen Republiken und seiner Unterstützung für Michail Gorbatschow hin- und hergerissen ist, läuft Gefahr, zuzulassen, daß letzterer diesen Widerspruch schamlos ausbeutet.“

Japan Times

Die 'Japan Times‘ kommentiert am Montag die zwei Seiten westlichen Wohlstandes:

„Die den Konsumkapitalismus rühmen, ignorieren oft den Stachel der kulturellen Kritik an diesem Lebensstil. Haben nicht tausende Ostdeutsche mit ihren Füßen für den westlichen Materialismus abgestimmt? Im ersten Freiheitsfluß schien dies so. Aber jene Ostdeutschen, die durch die geöffnete Berliner Mauer rannten für ein Paar Bluejeans oder einen Fast-Food-Imbiß, erfreuten sich der Früchte des kapitalistischen Wohlstands, ohne seine Bürden tragen zu müssen. Vielleicht wird gerade hier in Japan der Preis des kapitalistischen Materialismus besonders gut verstanden. Die schicken Freiheiten und die ins Auge springende Konsumtion, deren sich die jungen Leute heute erfreuen, sind zuvor durch zwei Fabrik- und Büro-Generationen mit Disziplin und Effizienz bezahlt worden. Wieviele Mitteleuropäer werden denselben Preis zahlen wollen?“

Berry Republicain

Ein unruhiges Europa befürchtet der französische 'Berry Republicain‘:

„Was wird aus den osteuropäischen Nationen, die solche nie dagewesenen Umwälzungen erlebt haben, in den nächsten Jahren? Nicht nur ihr soziales und Wertsystem ist auf brutale Weise in Frage gestellt worden, man muß auch damit rechnen, daß neue 'heiße Punkte‘ in einer Zone entstehen, die bisher im Griff sowjetischer Kontrolle war. Das war trotz des häßlichen Charakters dieser Herrschaft eine gewisse Garantie für Stabilität.

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