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Üdüc-Anlehner bulgarisch-naiv auf Omas altem Orient-Teppich Hochhaus durchbohrt in Tenever / Malerische Beredsamkeit in Lilienthal / Dräuende Angstgegner am Dobben

„Da hamse ja Geld für ... Ist ja furchtbar, nicht? ... Ich als Hobbymaler weiß, was Kunst ist, ich habe schon 300 Ölbilder gemalt: das nicht! ... In der Zeitung stand, das soll ein Kunstwerk sein, so wie Picasso, das Auge am Knie ...“ Die Leute bleiben stehen, recken ihre Hälse, schimpfen und schütteln die Köpfe, und Gottistmeinzeuge ich habe frühmorgens diskutierende Grüppchen gesehen! Kunst, die erregt: Am Mittwochabend wurde in Tenever in der St.Gotthardstraße ein Kunstimöfentlichenraum-Objekt „eingeweiht“. Bis zu einer Höhe von dreißig Metern reckt sich ein umgemodelter Baukran (vom Schrott, verzinkt), scheint in die Wand des Hochhauses Nr.31 einzudringen und schaut zum Dach wieder raus. Eine irritierte Französin meint, es handele sich um ein „Üdüc“, was immer das sein mag (es habe mit Petroleum zu tun).

Urheberin des Kunstobjekts ist die Bremer Gruppe ExR („Experiment Raum“), die zuletzt mit der Ausgestaltung eines vergessenen städtischen Areals unter Bremer Hochstraßen auffallen konnte. Gunther Gerlach, Uwe Süchting und Eberhard Syring haben zwei Jahre geplant, Geld besorgt (30.000 DM von Senat und Stiftung Wohnliche Stadt), Sicherheitsbedenken ausgeräumt und Kunst geschaffen. Sie nennen das Opus „Anlehner“, möchten „spielerisch“ der Wucht des Betonklotzes beikommen. Sie sehen einerseits die gelungene Provokation des „Problemstadtteils“ positiv (Gerlach: „Es bewegt sich was“); andererseits liege Verantwortung für den Unmut derer, die das Geld lieber für einen neuen Eingangsbereich ausgegeben sähen, eher beim Sozialsenator („Ich bin kein Sozialarbeiter“). Deshalb stehen sie für Diskussionen etwa mit SchülerInnen zur Verfügung, wollen sich aber keine blauen Augen beim Volkszorn holen. Nachdem einweihehalber die Skulptur nächtens beleuchtet wurde, erklärte sich die Gewoba beeindruckt bereit, auch künftig für Illumination zu sorgen. Das Unfallschutzgitter, das eine der Auflagen war, dürfte übrigens begeisterte Kletterer kaum abschrecken. Aber gemach, Eltern: der Statiker hat den Üdüc für 20 Leute berechnet.

„Rumen Rachev ist begabt mit einer außerordentlichen malerischen Beredsamkeit.“ Wenn die Galerie Kühn mit solch einem Satz in ihrer Einladung zur Vernissage werben zu müssen meint, ist das ihre Sache. Die Wahrheit ist es leider auch. Der 1956 geborene Bulgare, jetzt in Bremen, ist von großer Produktivität, ausschweifend in der Wahl der künstlerischen Mittel, heftig im Rückgriff auf bunte Farben und unkompliziert in der Adaption großer Vorgänger von Grosz bis Picasso. Nur thematisch hält sich Rachev zurück: Mann und Frau, zwei Männer und eine Frau, zwei Frauen und ein Mann, das umreißt seinen Themenkatalog. Eincollagierte Fotos, kyrillische Buchstaben, grafische Muster und irgendwie abstrakte Körper: zusammen mit der kunterbunten Farbigkeit und der eigenartigen Flachheit auch mutmaßlicher Räume zeigt sich Rachev naiv. Einzig in seinen Radierungen kommt Rachev zu in sich geschlossenen Produkten: weniger Spektakel, klare Bildaussage und daher die Vermutung, daß sein Metier die Grafik ist. (Lilienthal, Hauptstr.39, bis zum 29.4.).

Omas abgeschabter Orient-Teppich; die gummierte Rückseite billiger Auslegeware: Malgründe des 32-jährigen Kurden Sahin Ince, der seit '78 in Hamburg lebt. „Cut-outs“ nennt er das, was nach dem Ausstanzen übrigbleibt, und das sind grotesk verkrümmte Körper menschlicher und tierischer Wesen in Lebensgröße. Seine Wandobjekte erzählen von Gewalterfahrung, (Gliedmaßen-)verlustreichen Kämpfen, Trotz. In allen Formaten, auch in den kleinen Aquarellen, werden Geschichten erzählt wie die einer Frau, die um einen Toten trauert. Blut allerorten. Drachentöter, Eilende, Angstgegner und auch mal Liebende: Daß man nicht vom Sentiment erschlagen wird, verdankt man einzig einer gewissen Eleganz besonders in den Aquarellen, die das Schlimme bizarr und das Bizarre verdaulich erscheinen läßt. (El Patio, Am Dobben 58, bis 27.Mai) Bu