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Geistesgestörter gesucht

■ England fahndet nach einem neuen Nationaltrainer

Der englische Fußballverband hat Schwierigkeiten, einen Nachfolger für seinen scheidenden Nationaltrainer Bobby Robson zu finden. Howard Kendall von Manchester City, der früher einmal sein Interesse bekundet hatte, gab bekannt, daß er seine Meinung inzwischen geändert habe. Auch Jack Charlton, englischer Weltmeister von 1966 und Trainer des irischen Teams, lehnte das Angebot dankend mit dem Hinweis ab, daß die wichtigste Qualifikation für einen englischen Nationaltrainer Geistesgestörtheit sei. „Erst hat die Presse jahrelang gehetzt, um ihn loszuwerden“, sagte Charlton, „und nachdem er sich nun entschieden hat zu gehen, nennen sie ihn einen Verräter. Was für ein Unsinn.“ Da ziehe er dann doch seinen ruhigen Job auf der „Grünen Insel“ vor.

Zwischen der britischen Presse und Bobby Robson bestand während der achtjähriger Amtszeit eine eingespielte Beziehung: Die Boulevard-Journalisten verleumdeten ihn regelmäßig, und er haßte sie dafür. Am vergangenen Donnerstag platzte ihm nun jedoch der Kragen. Die Zeitung 'Today‘ hatte mit der Geschichte aufgemacht, daß der Nationaltrainer wegen eines „Enthüllungsbuches“ seiner Ex -Geliebten zurückgetreten sei. Robson reagierte mit einem Wutanfall. Er jagte die neugierigen Journalisten, die nach Erscheinen der Meldung sein Haus belagerten, vom Grundstück und berief für den Nachmittag eine Pressekonferenz ein.

Dort gab er dann zu, daß er in der nächsten Saison den PSV Eindhoven trainieren werde - jedoch nicht wegen der Ex -Geliebten, sondern weil „der Verband meinen Vertrag ohnehin nicht erneuert hätte“. Den Spielern wollte er die Nachricht eigentlich erst heute in Italien schonend beibringen. Nun hat Robson zumindest ein Alibi, falls es mit dem Weltmeistertitel in Italien nicht klappen sollte: Der „Müll“ in der Presse habe ihm die schöne Vorbereitung samt Moral ruiniert.

Als die Fotografen, die vermutlich nun einen Tränenausbruch erwarteten, dem Nationaltrainer mit ihren Blitzlichtern zu dicht auf den Pelz rückten, war es um dessen Fassung ein zweites Mal an diesem Tag geschehen. Er warf die Bildreporter kurzerhand aus dem Saal und erklärte den eingeschüchterten Berichterstattern, daß er „den Typen noch suche“, der die Geschichte in 'Today‘ verzapft habe. Ein Sportreporter meinte später mitleidig, daß nur die Premierministerin einen ähnlich anstrengenden Job habe, wie der Trainer der englischen Nationalmannschaft. Bei beiden fühle sich die gesamte Nation berufen, jeden öffentlichen Auftritt mit höhnischen Kommentaren zu begleiten.

Ralf Sotscheck

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