: Der peruanische Samurai
Der Wahlsieger Fujimori - ein Hoffnungsträger ohne Programm ■ G A S T K O M M E N T A R
Der designierte peruanische Präsident heißt Alberto Fujimori. Am Sonntag erreichte der Sohn japanischer Einwanderer bei der Stichwahl um das Präsidentenamt sieben Prozent mehr, als der Romancier Vargas Llosa. Noch vor wenigen Wochen, war Fujimori in der peruanischen Politik ein unbeschriebenes Blatt. Doch das der Mann politische Ambitionen hat, zeigte sich bereits im vergangenen Jahr, als er sich als Parteiloser um eine Kandidatur auf der Liste der regierenden APRA bemühte und prompt durchfiel. Danach tat er sich mit den Verbandsvertretern der Kleinindustrie und der Agrartechniker und den Hierarchen evangelischer Sekten zusammen. Deren Mitglieder trugen seine simple Botschaft, das Land brauche Technologie, Arbeit und Ehrlichkeit, in den Elendsvierteln und auf dem Land von Haus zu Haus. Im ersten Wahlgang kamen seine Wähler vor allem aus der Unterschicht und dem informellen Sektor.
Daß Fujimori die Wahlen gewonnen hat, verdankt er aber in erster Linie der Schwäche aller anderen Parteien. Die regierende APRA wird für die gegenwärtige Wirtschaftkatastrophe verantwortlich gemacht; ihre Reformslogans nimmt ihr niemand mehr ab. Die Linke ist gespalten und tief zerstritten. Vargas Llosa wurde von den alten Parteien des Besitzbürgertums auf den Schild gehoben, die das Land zwischen 1980 und 1985 an den Rand des Abgrunds regierten. Das der Schriftsteller im Wahlkampf Entlassungen von 300.000 Staatsbediensteten und andere drastische Maßnahmen aus dem liberalen Rezeptbuch ankündigte, hat auch nicht gerade zu seiner Popularität beigetragen. Die politischen Optionen sind ausgereizt. Im zweiten Wahlgang schlugen sich Stammwähler der Linken und der APRAs zu den Unzufriedenen und stimmten für Fujimori.
Entscheidend für seinen Sieg, war indes, daß er besser als andere zum Symbol der Hoffnung taugt; durch ihn soll ein wenig Glanz des japanischen Wirtschaftswunders auf den tristen wirtschaftlichen Alltag des Andenstaates fallen. Hinzu kommt, daß seine Bündnispartner die benachteiligte Mehrheit der Bevölkerung besser verkörpern, als die Politprofis der etablierten Parteien. Ohne die wird er allerdings nicht regieren können, denn sein Cambio 90 verfügt über weniger als ein Fünftel der Sitze im Kongreß. Fujimori muß nun eine Allianz zuwege bringen. Dabei könnte es sogar von Vorteil sein, daß er über keinerlei Programm verfügt. Ob sein politisches Talent für die Rolle des Moderators in einem nationalen Dialog ausreicht, oder ob er sich zum Spielball der Interessengruppen machen läßt, wird sich herausstellen.
Dietmar Dirmoser
Der Autor ist Mitherausgeber des Lateinamerika-Jahrbuchs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen