: EG-Praktikum
Einmal in Petra Kellys Fußstapfen treten und mit den Schalthebeln Europas hantieren? Für Hochschulabsolventen aus aller Welt bietet die EG dafür jährlich zweimal die Möglichkeit - in Form des „Verwaltungspraktikums bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften“. Das „Stage“ soll aber nicht nur der grünen Politikerin bei ihrer Karriere geholfen haben. Auch Jo Leinens kometenhafter Aufstieg zum Umweltminister von Saarland begann - wenn man den Worten des Chefs des Praktikantenbüros, Wolfgang Krause, Glauben schenken darf - in Brüssel.
Denn das Praktikum eröffnet nicht nur die Möglichkeit, den Moloch EG von innen heraus kennenzulernen. Wichtiger ist nach den Worten der Berliner Ex-Praktikantin Andrea Schmidt die Gelegenheit, viele Leute aus den Mitgliedsländern der EG, aber auch aus anderen Ländern kennenzulernen. Wer allerdings zur kommenden Elite Europas gehören möchte, muß erst einmal ein hartes Auswahlverfahren überstehen. Von rund 4.000 BewerberInnen werden pro Turnus nur 400 „Stagiaires“ ausgewählt.
Formale Voraussetzung für die Zulassung ist entweder ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein mindestens achtsemestriges erfolgreiches Hochschulstudium oder eine mindestens dreijährige Referententätigkeit in der öffentlichen Verwaltung oder in der Privatwirtschaft. Die BewerberInnen sollten nicht älter als 30 Jahre sein. Die Praktika dauern in der Regel drei bis fünf Monate. Sie beginnen jeweils am 1. März und am 1. Oktober. Bewerbungen müssen spätestens bis zum 31. März für den Oktobertermin und bis zum 30. September für den Märztermin bei der Kommission eingehen.
Das Auswahlverfahren läuft in zwei Stufen ab: In einer Vorauswahl werden aus den Tausenden von BewerberInnen etwa 700 FavouritInnen ausgesucht. Ihre Namen werden in das sogenannte Blaue Buch eingetragen, das dann in der Kommission die Runde macht. Für KandidatInnen, die zu den Auserwählten gehören, empfiehlt es sich in dieser Phase, nach Brüssel zu reisen und in der Abteilung ihrer Wahl die Werbetrommel zu rühren.
Vorsicht ist jedoch geboten, weil nicht selten Minister oder hohe Beamte in dieser Frage für ihren Sprößling oder einen Bekannten intervenieren. Zudem sind am Kampf um die Stage-Plätze häufig auch EG-fremde Regierungen und größere Firmen beteiligt, für die der frühzeitige Einblick in die EG -Gesetzesmaschinerie nicht mit Gold aufzuwiegen ist.
Denjenigen, die auch diese Hürde genommen haben, wird ganz Unterschiedliches geboten - je nach Abteilung und Betreuer. Von der langweiligen Übersetzungsarbeit bis zur Mitarbeit an einem spannenden Vertragstext ist alles drin, berichtet Ulrike Möslinger, die im vergangenen Turnus als Praktikantin gearbeitet hat. Die Arbeit ist nicht ganz umsonst: Die Referendare und Firmenangestellten ausgenommen, deren Bezahlung von den jeweiligen Behörden oder Firmen übernommen wird, bekommt jede PraktikantIn ein Stipendium von 1.100 DM. Dieses nicht gerade EG-standesgemäße Salär reicht nach Meinung vieler Stagiaires kaum aus, die Reisen und Parties zu finanzieren, die ständig stattfinden.
Michael Bullard
Nähere Auskünfte: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Generalsekreteriat, Praktikantenbüro, Rue de la Loi, 1049 Brüssel, Belgien
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