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Haushaltswahrheit und -klarheit

■ Etatkürzungen im Verteidigungshaushalt reine Kosmetik / Einschränkungen der Tiefflugübungen in Nordrhein-Westfalen gefordert / Stoltenberg schweigt / Keine Festlegung zum „Jäger 90“

Bonn/Düsseldorf (taz) - Die Deutschen seien einmal „angetreten als Dichter und Denker“, verkündete CDU -Verteidigungsexperte Bernd Wilz gestern in Bonn, deshalb müsse man jetzt mehr Geld in die Kultur und weniger ins Militär stecken. Was die Unionsmitglieder des Verteidigungsausschusses dann allerdings als Etatkürzungen verkauften, entpuppte sich als reine Kosmetik: Sie wollen 2,5 Milliarden Mark unter dem Motto „Haushaltswahrheit und -klarheit“ (Wilz) auf andere Ressorts umschichten.

Zum Beispiel soll der Außenminister einen Teil der Kosten für die Flugbereitschaft übernehmen und die Länder weniger vom Bund erstattet bekommen. Die Krux: Das Geld wird nicht eingespart, lediglich andere sollen zahlen. Dazu kommt, daß die gesamtdeutsche Truppenstärke im kommenden Jahr auf 370.000 Mann beschränkt wird, auch hier spart die Bundesregierung viel Geld. Höchstens eine halbe Milliarde Mark Einsparungen bleiben darüber hinaus übrig, wenn man die Zahlen der Verteidigungsexperten zusammenrechnet. Nach ihren Vorstellungen soll der Etat von 53,9 Milliarden auf unter 50 Milliarden sinken. Trotz des Abbaus der Truppenstärke sollen keine Soldaten entlassen werden. „Die Bundeswehr ist kein Abbruch-Unternehmen“, verkündete CDU-Verteidiger Breuer. Und: „Es dürfen keine psychischen Schwierigkeiten entstehen.“ Die Union mache nicht mit bei dem Spiel „Wer bietet weniger?“ Breuers Fraktionskollege Wilz ergänzte, es sei noch nicht sicher, ob die Entwicklung des Jäger 90 gestoppt werde, schließlich habe die bereits 4,5 Milliarden gekostet. Die Ingenieure sollten eine Chance erhalten, „glaubwürdig zu bleiben und zu Ende zu entwickeln“. Auf die Frage, ob Verteidigungsminister Stoltenberg jetzt keine Backpfeife bekommen habe (der Minister hatte Kürzungen des Wehretats auf 50 Milliarden immer als illusorisch bezeichnet) entgegnete Wilz: „Ein Verteidigungsminister darf nicht nur an Schönwetterzeiten denken, er muß auch den 'worst case‘ im Auge haben.“

Bis zum 1. September will die Union nach den Worten ihrer Verteidigungsexperten Wilz und Breuer ein neues Konzept für die Tiefflüge vorlegen. Beide Abgeordnete gaben sich zuversichtlich, daß die Mindestflughöhe künftig von 75 Meter auf 300 Meter angehoben wird. Bisher hatte Bundesverteidigungsminister Stoltenberg diese Forderung, die seit zwei Jahren von den SPD-Bundesländern erhoben wird, immer abgelehnt. Stoltenberg sah Ausbildung und Sicherheitsstandards für seine Piloten gefährdet.

Jetzt ist davon nicht mehr die Rede. Nach lautstarken Protesten aus den eigenen Reihen scheint der kalte Krieger aus dem Norden seine Position kleinlaut räumen zu wollen. Zuletzt hatte die nordrhein-westfälische CDU, aufgeschreckt durch den massiven Protest der tieffluggeschädigten BürgerInnen, den Minister in harschem Ton aufgefordert, „alles, was unter 300 Metern liegt, abzuschaffen“, sonst werde er das Vertrauen des größten CDU-Landesverbandes verlieren. Der Düsseldorfer Landtag forderte die Bundesregierung noch kurz vor der Sommerpause mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP auf, daß alle Tiefflüge „sofort“ einzustellen seien und auf alle Luftkampfübungen über dem Gebiet der Bundesrepublik verzichtet werden solle. Nach der sich jetzt abzeichnenden Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands kann Stoltenberg seine Untätigkeit auch nicht mehr mit Hinweis auf die Besatzungsrechte der Nato-Partner rechtfertigen.

tst/J.S.

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