Auf zur letzten Festa dell'Unita

■ Von der Pinnwand der taz-KorrespondentInnen

Auch für notorische Muffel von Polit-Feten gibt es im September eine Art Muß: die „Festa dell'Unita“ in Modena. Drei Wochen (1. bis 23.9.) Ausstellungen, Debatten, Spektakel - und, vor allem, diesmal Streit in Reinkultur. Es geht, erstmals in der Geschichte der Kommunistischen Partei, nicht nur um den Kurs - es geht diesmal eindeutig ums Überleben. Ende des Jahre soll auf einem Kongreß der alte PCI begraben werden und eine neue Formation entstehen, „Neugründung aller linken, progressiven und alternativen Kräfte“. Die Festa ist Probelauf für die neuen Ideen.

Das Jahresfest ist benannt nach der PCI-eigenen Tageszeitung (dem einzigen Parteiorgan, das weit über die Parteimitglieder hinaus als Informationsquelle anerkannt ist und derzeit an die 200.000 Auflage hat) und war seit seiner Wiedereinführung unmittelbar nach dem Krieg immer ein Spektakel besonderer Art: ein unmilitarischer, gleichzeitig aber sehr militanter Aufmarsch der Gefolgschaft einerseits (bis in die 70er Jahre mit Tausenden roten Fahnen), zum anderen ein Ventil für Unmut der Basis, und drittens ein Laboratorium für neue Ideen und Versuchsballons. Letzteres nicht nur für die KP-Chefs, sondern auch für Häuptlinge anderer Parteien, die seit jeher gerne das publicityträchtige, mit viel Kulturprominenz garnierte Treffen der Roten mit ihrer Präsenz beehren und dabei oft nach neuem Profil suchen.

Ausgerichtet wird das Treffen jedes Jahr in einer anderen Regional-Haupstadt; daneben feiern die Provinz- und Ortsgliederungen „ihr“ Einheits-Fest. Geladen sind da neben den Lokalheroen in Politik und Kultur bekannte und weniger bekannte Künstler und Musikgruppen; es gibt Jugendtreffs und Kinderspiele. Ganz allgemein herrscht eher Rummelatmosphäre denn Politisiererei - speziell da ein wichtiger Teil des Festes der regionalen Küche gewidmet ist. Die anderen Parteien und politischen Gruppierunge haben alles versucht, ihrerseits ebensolche Feste auf die Beine zu stellen vergebens. Die oft drei Millionen Besucher der „Unita“ hat sonst keine italienische Partei bei ihrem jährlichen Fest erreicht.

Viele Kommunisten sehen diesmal auf der „Festa dell'Unita“ das Ende einer Ära nahen; vorbei ist just die Einheit („Unita“), auf die die Partei immer so stolz war. Die Spaltung in den Flügel um den Parteichef Occhetto und den linken Pietro Ingrao wird das Fest bestimmen - zumindest so entscheidend wie die Golfkrise.

Die Zentrale in Rom, die sonst immer die Festa organisiert hatte, suchte mit einem „weichen“ Kurs abzufedern; so durfte diesmal ein Komitee mit vielen Nicht-Parteimitgliedern die Vorbereitungen treffen. Die PCI-eigene Verlags-Gesellschaft „Rinascita“ hat mehr als 3 Kilometer Buchausstellung mit 80.000 Titeln eingerichtet, fast alles nicht-marxistische Literatur; David Bowie, Sting, Lou Reed und Fleetwood Mac treten auf, Erstlingswerke berühmter Regisseure werden aufgeführt, von Bertolucci bis Michael Moore. Vier Tage soll auch über „Berlin - Hauptstadt Europas“ debattiert werden, wobei - bezeichnend für die Unsicherheit der Genossen hinter diesem Titel in manchen Ankündigungen ein Fragezeichen steht, in anderen nicht.

Werner Raith