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Wie Berliner Bioläden in Tschernobyl halfen

■ Zwei Lastwagen mit gesunden Nahrungsmitteln in die Gegend um Tschernobyl verschickt/ Bei Spendenaktion lief alles glatt

Berlin. Die beiden Lastwagen, die Berlin am ersten Weihnachtsfeiertag in Richtung Tschernobyl verließen, hatten ungewöhnliche Fracht an Bord. In Jutesäcken und recyclingfähigen Papiertüten verpackt, wurden 15 Tonnen Lebensmittel, alle ausgewählt nach ernährungsphysiologischen Grundsätzen, über die Grenzen nach Belorußland gekarrt. Statt Rindfleischdosen aus Beständen der Europäischen Gemeinschaft Bio-Salami, statt Milchpulver unbelastete Kindernahrung und Mehl aus biologisch-dynamisch angebautem Getreide. Dazu Müsli, Trockenfrüchte, Nüsse, Bio-Kekse und andere gesunde Süßigkeiten zuhauf.

Der ganze Segen war ein Geschenk von Berliner und westdeutschen Bioläden, initiiert und organisiert wurde die alternative Spendenaktion von den vier Naturkosthändlern; das Märkische Landbrot, Terra Naturkost, Terra Frischdienst, und von der Food Cooperative aus Kreuzberg 36.

Die Spendenaktion war von Berlin aus gut vorbereitet. An den Grenzen wurden die Lastwagen dank diverser Empfehlungsschreiben nur durchgewinkt, nirgends tauchten irgendwelche bürokratischen Probleme auf. »Es ging alles sehr viel einfacher, als wir dachten«, sagte Joachim Weckmann, Inhaber des Märkischen Landbrotes.

Das Ziel der Reise waren drei Dörfer nahe der Stadt Pinsk, alle drei in einem schwer radioaktiv verseuchten Gebiet gelegen, das eigentlich schon lange hätte geräumt werden müssen. Die örtlichen Ansprechpartner waren Mitarbeiter der Initative »Kinder von Tschernobyl« und die Ortsvorsteher der Dörfer.

Als die Lastwagen mit den unverstrahlten Lebensmitteln ankamen, so erzählt Weckmann, sei alles schon vorbereitet gewesen. Die Ortsvorsteher hatten Listen von kinderreichen und bedürftigen Familien zusammengestellt und alle diese Familien in dem Gemeindesaal zusammengerufen.

Die Menschen hätten eine lange Schlange gebildet und die Lebensmittel seien so vom Lastwagen bis zur Bühne des Gemeindesaals von Hand zu Hand weitergereicht worden. Gemeinsam mit den zukünftigen Empfängern seien die Jutesäcke voll Mehl oder die Paletten mit unbelasteter Babynahrung in kleine Geschenkpakete umgepackt und später gerecht verteilt worden. »Alles lief vor aller Augen ab«, berichtet Weckmann. Obendrein verteilten die Müslihändler an örtliche Ärzte und öffentliche Kindertagesstätten Frischgemüse und Obst.

Eigentlich, meint Weckmann, »wäre die ganze Solidaritätsaktion mehr eine Sache des Kopfes als des Bauches gewesen«. Die Menschen in den verseuchten Gebieten hätten Lebensmittel mehr als genug und spottbillig obendrein, aber die »Nahrungsmittel« wären durchweg heimischer Produktion, daher »krankmachend«. Die Bio-Geschenke aus Deutschland, so urteilten die Spender, wären nicht mehr als ein Symbol gewesen — und so hätten es auch die Empfänger gesehen. »Wir sind überschüttet worden mit Einladungen, und wir haben sie, wo immer es ging, angenommen, denn wir wollten die Menschen mit unserer Hilfe nicht beschämen.«

So kamen Weckmann und die anderen sieben mitgereisten Naturkosthändler zu ungewohnten Erlebnissen. Die überzeugten Vegetarier wurden zu fetten Gelagen mit verseuchtem Schweinefleisch geladen, und sie kniffen nicht. »Wir haben in Pinsk das gegessen, was die Menschen dort seit vier Jahren essen müssen«, sagte Weckmann. aku

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