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Ein stets lächelnder Landesvater

Walter Wallmann, CDU-Spitzenkandidat im hessischen Wahlkampf, gilt als „Profi der Körpersprache“/ Unmut an der CDU-Basis über „einsame Entscheidungen“  ■ Von Heide Platen

Eigentlich wirkt er ganz sympathisch. Die Regisseurin Sylvia Hofmann findet ihn gar „einen Knuddeltyp“, einen, der „mit ein bißchen mehr Mut zur Farbe“ durchaus als Ersatz-Wussow in der „Schwarzwaldklinik“ mitspielen könnte.

Walter Wallmann, geboren am 24. September 1932 in Uelzen, bringt die Fotografen manchmal zur Verzweiflung. Immer, sagen sie, immer lächelt der nur freundlich, gewinnend, strahlend, verbindlich. Warum lächelt der nur immer? Zum Beispiel während der Abhöraffäre seines damaligen Innenministers Milde, während des Streits um die öffentliche Pflege seines privaten Blumengartens, der Skandale um die Abgeordnetendiäten und um die Hanauer Atomfabrik?

Der Hessische Rundfunk hat einen Psychologen befragt, der dem hessischen Ministerpräsidenten bescheinigt, ein „Profi der Körpersprache“ zu sein: „Er strahlt jeden an.“ Dabei wende er sich dem Gesprächspartner zu, „öffnet die Hände“, signalisiere also Offenheit. Nur manchmal, wenn er angegriffen werde, verstecke er „die Hände unter dem Tisch“.

Sollte Körpersprache wirklich so aufschlußreich sein, ließe sich vielleicht damit etwas anfangen: Walter Wallmann sitzt neben Joschka Fischer, plaudert locker mit ihm. Dabei fällt auf, daß der Ministerpräsident dem politischen Gegner eben nicht den Körper zuwendet, sondern nur den Kopf, über die in Gegenrichtung zeigende Schulter hinweg.

Walter Wallmann, der die leisen Töne beherrscht, der schon als Frankfurter Oberbürgermeister so viel Wert auf Bildung legte, läßt in seine Reden gern Zitate von Adorno, Bloch, Marcuse einarbeiten. Und er ist ein Parteisoldat, der Gewehr bei Fuß steht, wenn er gerufen wird. Oberbürgermeister in Frankfurt zu sein, bei Grundsteinlegungen und Kulturveranstaltungen zu repräsentieren, das mag ihm besser gefallen haben, als — nach Tschernobyl — zum Bonner Umweltminister berufen zu werden. Dort hatte er vor allem die undankbare Aufgabe, verseuchte Molke hin und her zu schieben, ehe er 1987 nach Hessen zurückkehrte. Das ist eine der sichtbaren Seiten des Ministerpräsidenten: Immer freundlich, beherrscht, diszipliniert. Doch da schiebt sich auch jener Walter Wallmann in Erinnerung, der bei seiner ersten Niederlage im Landtagswahlkampf 1983, als er den glücklosen Alfred Dregger als Kandidat ablöste, wie weggetreten wirkte — wie unter Schock und kaum fähig, vor die Fernsehkameras zu treten.

Und was war mit ihm los, als er, befragt über seine Beziehungen zum Frankfurter Bordellkönig Hersch Beker, mit fast verängstigtem Kinderblick, hauchte: „Ich kenne diesen Menschen nicht“? Wenn Wallmann angegriffen wird, reagiert er mehr als verletzt, fast wie in Trance. Aggressives Wehren ist seine Sache nicht. Am liebsten, scheint es, würde der Jurist und ehemalige Richter, der Recht und Politik in Marburg studiert hat, in einer harmonischen Welt leben, in der er unter Seinesgleichen in Ruhe gelassen würde.

Auch daran mag es liegen, daß er in Wiesbaden oft genug den Eindruck machte, als hätte er die Lust am Regieren verloren, wenn er in Krisen wegtauchte, sich einfach nicht zu Wort meldete. Dann wiederum möchte er Entschlossenheit demonstrieren und macht sich damit Feinde in der eigenen Partei.

Mit Entschlossenheit Feinde in der eigenen Partei gemacht

Als ihm bei einer Wahlkampfveranstaltung aus dem Publikum der Hang zu „einsamen Entscheidungen“ vorgeworfen wird, reagiert er verdrossen: „Es ist richtig, daß ich, wie so oft, die Initiative ergriffen habe.“ Das kreidet ihm die CDU-Parteibasis an. Zum Beispiel bei der überraschenden Nominierung der Industriellen-Witwe Ruth Herrhausen zur künftigen Ministerin ohne jede Kompetenz. Auch, daß er sich allzu oft öffentlichkeitswirksam gegen Bonner Entscheidungen stellt, nimmt sie ihm übel: Frankfurt als neue deutsche Hauptstadt, die Notwendigkeit von finanziellen Opfern für die Einheit, die Berufung von Ilja Weiß zum Tierschutzbeauftragten, der den Konservativen zu radikal ist. Manche behaupten, daß Walter Wallmann sei allmählich recht einsam geworden in seiner Staatskanzlei.

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