: Orientalische Tribüne
■ "Was soll man tun?": Viele Diskussionen über den Golf-Krieg im türkischen Lebensmittel-Laden
Erdem Göl ist Lebensmittelhändlerin im Steintor. Sie ist Kurdin, kommt aus der Türkei, lebt seit 1984 in Deutschland und seit drei Jahren in Bremen.
taz: Hat der Golf-Krieg Euer Leben verändert?
Erdem Göl: Ja, ganz bestimmt. Wir sind ja Kurden und in Kurdistan ist es jetzt ganz schlimm. Viele Menschen werden getötet. Natürlich macht uns das auch unruhig: Wir lesen immer Zeitung, hören den ganzen Tag Radio, gucken Fernsehen, um mitzukriegen, was passiert. Aber wir bekommen ja auch keine richtige Antwort.
Machst Du Dir Sorgen um Freunde und Verwandte in Kurdistan?
Ja, Sorgen machen wir uns, nicht nur um unsere Familien, sondern um alle Menschen — egal ob im Irak oder in der Türkei.
Wird in Eurem Laden über den Krieg diskutiert?
Ja, wir unterhalten uns viel darüber. Manchmal fragen auch die Deutschen, was passiert, was wir darüber denken. Wir haben auch ein paar türkische Kunden, die sind für den Krieg. Und manche sagen, das interessiert uns nicht. Und manche haben Angst vor dem Krieg, weil sie drüben gerade eine Wohnung gebaut haben.
Diskutiert ihr, was man gegen den Krieg tun kann?
Tun, was soll man tun? Man muß ja etwas tun. Wenn wir Zeit haben, gehen wir mit auf Demonstrationen. Unsere Kinder gehen auch.
Richtet ihr Euch auch selber an Eure Kunden.
Ja, wir wollen ja auch nicht, daß Deutschland in dem Krieg mitmacht. Aber Hoffnung, daß das viel bringt, haben wir nicht.
Und wie wird es jetzt weitergehen?
In der Zeitung steht zum Beispiel: Wenn Irak mit Giftgas zurückschlägt, dann ist die Türkei vorbereitet. Aber das stimmt ja nicht. Es gibt gar keinen Schutz und keine Gasmasken dort. Jetzt versucht die Türkei, ganz Kurdistan menschenleer zu machen.
Andererseits sind jetzt plötzlich die 5.000 Giftgasopfer von Halabja fast täglich im Fernsehen zu sehen. Aber vor dem Krieg hat nie jemand darüber geredet — immer gerade so, wie es paßt.
Wollen jetzt viele Kurden nach Deutschland kommen?
Ja. Aber die können nicht: Junge Leute, die nicht beim Militär waren, bekommen keinen Paß, alte Leute wollen ihre Kinder nicht verlassen.
Gab es mal einen Aufruf Bremer Kurden, etwas gemeinsam gegen den Krieg zu machen?
Nein, bis jetzt nicht. Wir gehen lieber zusammen mit den Deutschen demonstrieren. Fragen: Dirk Asendorpf
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