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Per Kahlschlag in die Marktwirtschaft

■ Im Havelland fallen Millionen von Apfelbäumen/ Die Früchte sind wegen des europaweiten Überangebotes nicht mehr abzusetzen/ Außerdem entsprechen die Äpfel aus der Gegend um Potsdam nicht der EG-Norm — sie sind einfach viel zu klein

Potsdam. Im Havelland bei Potsdam lärmen die Motorsägen. Soweit das Auge reicht, liegen hinter dem Dorf Bochow gefällte Apfelbäume in schier endlosen Reihen auf den Feldern. Sie werden zunächst zu Häckselmaschinen und dann als Späne zur Kompostierung transportiert. Die Arbeiter müssen sich beeilen: Bis zum Beginn der Vegetationsperiode am 1. April sollen allein auf dem Gebiet der früheren LPG Obstbau Damsdorf rund eine Million Apfelbäume gefällt und beseitigt sein, ein Drittel des früheren Bestandes. 1992 werden wahrscheinlich noch einmal eine Million Bäume gerodet.

Der Obstanbau hatte im Havelland schon eine lange Tradition, bevor die Ex-DDR seit den fünfziger Jahren den Raum Werder, Groß Kreutz, Bochow, Damsdorf vor den Toren Potsdams und Berlins zu einem der größten Obstanbaugebiete Mitteleuropas entwickelte. Über fast 11.000 Hektar dehnen sich die Obstgärten aus, die in ihrer Weitläufigkeit mitunter an südeuropäische Orangenplantagen erinnern.

Das Gebiet steht vor der Umstrukturierung. Über 80 Prozent der Bäume tragen Äpfel, die angesichts eines EG-weiten Überangebots kaum noch absetzbar sind. Zudem greifen frühere DDR-Bürger nach langen Jahren der Entbehrung lieber zu Südfrüchten. Deshalb wird jetzt abgeholzt. Nach Ansicht von Experten können die Apfelbäume nicht stehenbleiben, da sich in Monokulturen ohne intensive Pflege schnell Krankheiten und Schädlinge ausbreiten würden. Die EG fördert den Kahlschlag mit 8.000 Mark pro Hektar, wenn dort 15 Jahre lang keine Apfelbäume gepflanzt werden.

Auch das Potsdamer Landwirtschaftsministerium räumt Äpfeln wenig Marktchancen ein. EG-Parameter verlangen vom Apfel eine makellose Größe von 70 Millimetern. Die Norm ist in der »Märkischen Streusandbüchse« ohne kostenspielige »Mästung« durch Dünger und Pflanzenschutzmittel sowie stärkere Bewässerung kaum zu erfüllen. Hauptapfelsorte im Raum Werder ist der »Golden Delicious«. Der gleiche Apfel aus Italien schaut auf den Märkten verlockender aus.

Für die Behörden steht allerdings die Privatisierung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Vordergrund. Die geht nur mühsam voran. »Selbständiges Denken und die Bereitschaft, marktwirtschaftliche Risiken einzugehen, fällt den Leuten nach 40 Jahren SED- Herrschaft schwer«, wird in den Amtsstuben der Landeshauptstadt geklagt. Auf der anderen Seite fühlen sich viele Angehörige von der früheren LPG von den auf schnelle Entflechtung bedachten Bürokraten oftmals überfordert und alleingelassen. »Ich riskiere nicht Haus und Hof für Kredite«, sagt ein Damsdorfer. »Es muß das Gefühl da sein, daß man nicht ins Bodenlose stürzt, wenn es schiefgeht«, meint Stein und sieht den Staat mit Überbrückungshilfen in der Pflicht.

Die einstmals 1.000 Beschäftigten der LPG Obstbau Damsdorf hatten im vergangenen Jahr die Gründung mehrerer kleinerer Genossenschaften unter dem Dach einer Holding ins Auge gefaßt. Auch die Landesregierung hält Erzeugerorganisationen in der Landwirtschaft östlich der Elbe für vernünftig. Doch dieser Gedanke ist im Havelland offenbar vom Tisch. Dazu müßte der Boden von zu vielen alten Eigentümern zusammengepachtet werden. »Das ist praktisch nicht zu schaffen«, erläutert Stein. Aber gemeinsame Vertriebs- und Technikgesellschaften könnten ins Leben gerufen werden. Harald Rohde (dpa)

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