piwik no script img

Basra stark bombardiert

■ Weitere irakische Angriffe auf Israel und Saudi-Arabien/ 2.700 Luftattacken der multinationalen Golf-Truppen an einem Tag

Washington/Riad/Jerusalem (afp) — Die multinationalen Streitkräfte am Golf haben ihre Luftangriffe gegen den Irak am Wochenende fortgesetzt. Über die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörungen ließ die Militärzensur auch gestern keine Informationen durchsickern.

Allein in der Nacht zum Sonntag bombardierte die alliierte Luftwaffe sechs Stunden lang die irakische Hafenstadt Basra. Nach Angaben der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur 'Irna‘ waren zwischen Mitternacht (Samstag 21.30 MEZ) und 6.00 Uhr morgens (Sonntag 3.30 Uhr MEZ) in der 40 Kilometer entfernten iranischen Stadt Khorramschahr regelmäßig Explosionen zu hören gewesen.

Allein am Freitag hatte die Luftwaffe 2.700 Einsätze geflogen, die bisher höchste Zahl seit Beginn des Krieges. Dabei seien vor allem die Nachschubwege der irakischen Eliteeinheiten zwischen Bagdad und Basra beschossen und zahlreiche Brücken zerstört worden, berichtete der Operationschef des amerikanischen Generalstabs, General Tom Kelly. Rund hundert irakische Deserteure und Soldaten seien gefangengenommen worden und sollen den saudiarabischen Behörden übergeben werden.

Bereits vor den neuerlichen Drohungen von Saddam Hussein, nicht- konventionelle Waffen gegen Israel einzusetzen, hatte Irak am Samstag abend seine Raketen-Angriffe auf Israel und Saudi-Arabien fortgesetzt. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden bei dem sechsten Angriff auf Israel, der erstmals in Intervallen geführt wurde, drei Scud-Raketen auf Haifa und eine auf Tel Aviv abgefeuert. Alle vier Raketen konnten nach Angaben des Pentagon ebenso wie die auf Riad abgeschossene Scud rechtzeitig von amerikanischen Patriot-Abwehrraketen in der Luft zerstört werden. Allerdings seien einige Raketentrümmer auf Haifa und die saudischen Hauptstadt Riad niedergegangen. In Haifa wurden durch den irakischen Angriff zwei arabische Israeli verletzt. In Bagdad wurden insgesamt sechs abgefeuerte Raketen gemeldet. Am Freitag abend soll bei einem irakischen Raketenangriff auf Riad ein Mensch getötet und 30 verletzt worden sein. In Israel kam bei den Angriffen eine Person ums Leben; 70 wurden verletzt.

In der Nacht zum Samstag sind angeblich US-Marine-Infanteristen rund zehn Kilometer auf kuwaitisches Territorium vorgedrungen und nahmen eine irakische Stellung unter Artilleriebeschuß. Der Angriff sei von einem mit 155-Millimeter-Haubitzen bewaffneten Artillerie-Bataillon geführt worden. Ein solches Bataillon besteht normalerweise aus drei Batterien mit jeweils acht Geschützen. Bisher waren die gelegentlichen Attacken der Marine-Infanteristen mit lediglich einer Batterie geführt worden. Wegen der „Sicherheitsbestimmungen“ des US-amerikanischen Militärs wurden keine weiteren Einzelheiten der Kämpfe bekannt gegeben.

Die iranische Führung hat den USA unterdessen zugesichert, daß jegliche irakische Flugzeuge, die in Iran landen, dort bis zum Ende des Kriegs festgehalten werden. Dies teilte der amerikanische Außenminister James Baker am Samstag nach einem Treffen mit seinem sowjetischen Amtskollegen Alexander Bessmertnych mit. Der Iran, mit dem die USA in diplomatischen Kontakt ständen, habe versichert, daß er im Golfkrieg neutral bleibe, erklärte Baker. Bereits am Freitag hatte der iranische Staatspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani einen Kriegseintritt an der Seite des Irak zurückgewiesen und als „selbstmörderisch“ bezeichnet.

Das US-Verteidigungsministerium hatte zuvor mitgeteilt, daß sich mindestens 24 irakische Maschinen in Iran befinden. Der Sicherheitsrat des Iran, das höchste politische Entscheidungsorgan des Landes, hatte am Samstag die Notlandung von sieben irakischen Jagdbombern auf einem nicht genannten iranischen Flughafen bekanntgegeben. Von irakischer Seite hatte es geheißen, daß Kontakte zur Führung in Teheran hergestellt worden seien, um die Flugzeuge und ihre Piloten wieder zurückzuholen. Es war zunächst unklar, ob die Piloten mit ihren Maschinen desertierten oder ob es sich um eine Absprache zwischen Bagdad und Teheran handelt, um die irakischen Flugzeuge vor US-Angriffen zu schützen.

Neben der Zusicherung gegenüber den USA hat die Führung der Islamischen Republik Iran gleichzeitig einen Fünf-Punkte-Plan für eine politische Lösung des Konflikts vorgelegt und ein freundliches Signal an die Adresse Bagdads gesandt: Wie Radio Teheran am Samstag meldete, wurde der iranische Rote Halbmond beauftragt, „Vorkehrungen für eine Lebensmittelhilfe an das irakische Volk“ zu treffen. Der Sicherheitsrat habe diese Maßnahme wegen der schwierigen Situation im Irak getroffen, wo es an Lebensmitteln und Medikamenten mangele. Die iranische Führung steht innenpolitisch unter Druck, da radikale Stömungen einen Kriegseintritt an der Seite des Irak fordern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen