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„Krieg ist kein sauberes Geschäft“

■ Verzweifelter Aktionismus gegen Ölpest/ Angebote zur Bekämpfung des Ölteppichs am Golf stehen unter dem Vorbehalt der Kriegsunterbrechung/ Stoppt amerikanischer Bomberangriff den Ölstrom?

Berlin (taz) — Die internationalen Hilfsangebote zur technischen Eindämmung der Ölkatastrophe am Persischen Golf überschlagen sich. Sie stehen jedoch allesamt unter dem Vorbehalt, daß die Kampfhandlungen im Katastrophengebiet unterbrochen werden. Ein US-amerikanisches Expertenteam flog an den Golf, um sich vor Ort über das Ausmaß der Ölpest zu informieren und eine internationale Hilfsaktion vorzubereiten. Technische Unterstützung wollen Großbritannien, die Niederlande und insbesondere Deutschland leisten. Unklar blieb gestern zunächst, ob der amerikanische Bombenangriff auf Ölverteilungsanlagen in Kuwait den Ölstrom zum Meer unterbrochen hat.

Bundesumweltminister Klaus Töpfer forderte „eine Art Umwelt- GSG 9“ auf EG-Ebene als mobile Öko-Eingreiftruppe. Töpfers niedersächsische Amtskollegin Monika Griefahn (parteilos) unterstützte die Sonderstelle von Bund und Küstenländern zur Bekämpfung von Ölunfällen in Cuxhafen, die angeboten hatte, vier Schiffe und große Mengen technisches Gerät an den Golf zu schicken. Voraussetzung sei allerdings, erklärte der Leiter der Sonderstelle, Klaus Stroh, daß das Ölleck abgedichtet und der Frieden wieder hergestellt sei. Ähnlich wie Griefahn äußerte sich auch der Kieler Umweltminister Berndt Heydemann, der die Hälfte aller deutschen Ölabfangkapazitäten an den Golf schicken will.

Die Spezialschiffe, die Öl von der Oberfläche absaugen und in ihren Tanks sammeln können, brauchen zwei bis drei Wochen, bis sie den Golf erreichen — vorausgesetzt der Suez-Kanal bleibt befahrbar. Die Absaugkapazität der deutschen Ölbekämpfungsschiffe reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die gewaltigen Ölmengen aufzunehmen, bevor die schwarze Masse nach 60 bis 75 Tagen abzusinken beginnt. Das Bonner Außenministerium wartete gestern weiter auf den Startschuß: Die USA hätten bisher noch nicht auf das deutsche Hilfsangebot reagiert, hieß es.

Der norwegische Umweltschutztanker „Al Wasit“ sollte gestern von Abu Dhabi zu seinem Einsatz im Norden des Golfs auslaufen. Britische Experten wollen sich mit Sperrbarrieren und Absaugvorrichtungen um den Schutz von Kraftwerken, petrochemischen Anlagen und insbesondere der 24 in Saudi-Arabien betriebenen Wasserentsalzungsanlagen am Golf bemühen.

Das Pentagon erklärte, der Ölteppich könne das 1989 von der „Exxon Valdez“ verursachte Öko-Desaster in Alaska um das Dutzendfache übertreffen. Der Umweltbeauftragte der Regierung des Inselstaates Bahrein, Walter Vreeland, schätzte die Länge des Ölteppichs am Sonntag abend auf etwa 140 Kilometer. Er dehne sich jeden Tag um etwa 25 Kilometer in Richtung Süden aus.

Ob der Angriff amerikanischer F-111-Bomber auf zwei kuwaitische Ölverteilungsanlagen, die im Golf gelegene Ölverladestation tatsächlich „trockengelegt“ hat, scheint nach wie vor unklar. Der Oberkommandierende der US-Truppen am Golf, General Schwarzkopf, sprach zunächst von einem erheblich schwächeren Ölausfluß nach dem Angriff. Es sei denkbar, daß sich nun nur noch die etwa zwanzig Kilometer lange Pipeline zwischen der bombardierten Verteilstation und dem Terminal entleere. Später meinte Brigadegeneral Pat Stevens, das Ausströmen des Öls sei gestoppt. Schwarzkopf wollte jedoch nicht ausschließen, daß Saddam Hussein im Gegenzug umgehend die „Sabotage eines anderen Ölterminals anordnen“ werde.

Der Oberkommandierende versicherte erneut, daß eine drohende Öko-Katastrophe unter keinen Umständen die amerikanische Militärstrategie am Golf beeinflussen werde. „Krieg ist kein sauberes Geschäft“, meinte Schwarzkopf. Es sei „lächerlich“, wegen der Umwelt den Krieg zu unterbrechen, wenn es darum gehe, den „Despoten Saddam zu stoppen“.

Unterdessen hat der Großscheich und Vorsteher der Kairoer El-Azhar- Moschee, Gad el Hak, Saddam Hussein wegen der mutwilligen Einleitung riesiger Ölmengen in den Golf scharf angegriffen. Der Prophet Mohammed habe den Kriegführenden untersagt, Kinder, Frauen und alte Menschen zu töten und Vermögen zu verschwenden, sagte der hohe sunnitische Geistliche der ägyptischen Nachrichtenagentur 'Mena‘. gero

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