: Orientalische Tribüne: "Dieser Krieg wird verherrlicht"
Mitra Razavi ist Iranerin und lebt seit 1971 in Bremen. Nach einem abgeschlossenen Ökonomie-Studium studiert sie jetzt Jura.
taz: Wie geht es Dir, wenn der Golf-Krieg über Deinen Bremer Fernseher flimmert?
Mitra Razavi: Was mich am meisten ärgert, ist, daß die Medien hier viel zu einseitig berichten. Mich hat das zuerst an die Wochenschauen aus dem Zweiten Weltkrieg erinnert: diese Gloria an technischer Rüstung unter dem Deckmantel von Friedensbemühungen — wo sie doch gerade einen Krieg gemacht haben.
Hat Dich der Krieg Irak-Iran damals genauso erreicht?
Ja, das war genauso schrecklich. Nur damals wurde das aus politischen und strategischen Gründen beiseite geschoben. Als die chemischen Waffen eingesetzt wurden, hat sich keiner drum gekümmert. Und als Iran sich an die UNO gewandt hat, hat es ein ganzes Jahr gedauert, bis eine Untersuchungs-Kommission bereitgestellt war.
Ich finde es nicht richtig, daß die Regierungen Westeuropas und der USA hier jetzt Saddam beschuldigen. Im Grunde genommen sind sie die Schuldigen.
Aber Ägypten, Syrien, Saudi Arabien gehören doch auch zu den Alliierten.
Das sind doch alles Vasallen und Kollaborateure. Die haben doch keine nationale Denkweise. Die denken nicht an die Verbesserung ihres Landes. Die Wurzeln dieses Krieges liegen viel tiefer in der internationalen Wirtschaftsordnung. Und da können die nicht mitmischen.
Der Krieg hat nur ökonomische Gründe?
Es ist nicht nur ein ökonomisches Problem, es ist auch ein politisches. Krisengebiete werden dort immer geschürt, damit sie hier besser profitieren können — und sei es alleine durch die Rüstung, die sie exportieren. Es ist eine imperialistische und rassistische Politik des Westens.
Und was der Irak gemacht hat?
Wieso wurde der Irak denn acht Jahre lang von allen Seiten unterstützt? Weil doch der Iran mit einer Vormachtstellung in der OPEC die Ölpreise heben wollte, und das war nicht in ihrem Sinne. Wer gibt denn den Ländern im Nahen Osten erst die Macht?
Du lebst jetzt in Bremen und mußt den Krieg aus westlichen Quellen verfolgen...
Ja, ich bin auf die westlichen Medien angewiesen, aber ich habe mein eigenes Urteilsvermögen. Ich komme auch aus einer anderen kulturellen Tradition. Wenn die heute von einem „heiligen Krieg“ sprechen, dann verstehe ich, warum. Hier haben viele dabei ja nur einen absoluten Blackout.
Wie verstehst Du denn den „heiligen Krieg“?
Damit kannst Du die Leute mobilisieren. Deswegen gibt es doch auch soviele Demonstrationen in den arabischen Ländern für Saddam Hussein.
In Deutschland leben viele Iraner im Exil. Habt Ihr die Hoffnung, daß sich durch den Golf-Krieg vielleicht auch in Eurer Heimat etwas ändert und Ihr eines Tages wieder zurück könnt?
Ich glaube nicht, daß die Iraner im Ausland sich da irgendwelche Hoffnungen machen. Der Krieg bedeutet ja keinen Umsturz der iranischen Regierung. Im Gegenteil: In letzter Zeit hat der Iran doch wirtschaftliche Verträge unterschrieben und Kredite aufgenommen und die Bereitschaft erklärt, ein Untertan des Westens zu sein.
Hast Du Angst, daß Dich der Golf-Krieg hier einmal persönlich betreffen könnte?
Ich wüßte nicht warum. Aber natürlich macht es mich betroffen, daß da ein Krieg ist. Ich kann es nicht mehr hören, wenn es immer heißt: Im Namen des Friedens wird ein Krieg geführt. Dieser Krieg wird verherrlicht, das macht mir Angst.
Fragen: Dirk Asendorpf
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