: Widerworte
■ Micha Brumlik, die hessischen Grünen und die militärische Hilfe für Israel GASTKOMMENTAR
Wenn es einen Grund gibt, sich nicht der Grünen zu schämen, dann den der schwierigen Entscheidung auf der hessischen Landesmitgliederversammlung für Raketen zum Schutz Israels. Deswegen möchte ich Micha Brumlik vehement widersprechen, der das zweite Abstimmungsverhalten als pure Strategie und „Angst um das Image der Partei“ wertete. Der Antrag gegen den Golfkrieg in seiner ursprünglichen Fassung, den er selbst mit unterzeichnete, beinhaltete zunächst nicht den eindeutigen militärischen Schutz Israels. Erst im Verlauf der Debatte kristallisierte sich diese Gretchenfrage für die Grünen als Zusatzantrag heraus, und die Leute mußten sich entscheiden. Und entschieden zunächst reflexartig für ihren Pazifismus.
Was dann passierte, war aber alles andere als eine inszenierte Abstimmungsmaschinerie, in der instrumentell mit der Austrittserklärung des Frankfurter Stadtverordneten Micha Brumlik umgegangen wurde. Die Qualität dieser öffentlichen Versammlung bestand für mich gerade darin, daß Zeit zum Nachdenken möglich war und auch das Recht auf Irrtum eingestanden wurde. Nein, da war kein Gefolgschaftsdenken im Spiel bei denjenigen, die beschrieben haben, warum sie erst so und dann anders abstimmten. Man kann den Leuten mangelnde Genauigkeit im Denken und selbstverliebte Gefühlsduselei vorwerfen. Aber die Begründung einer Rednerin für ihr unterschiedliches Abstimmungsverhalten war die spontane Ablehnung jeglicher Waffen auf Grund eigener traumatischer Kriegserfahrung — dann dachte sie nach. Schließlich sagte sie flehentlich: „Ich bitte euch jetzt, versagt dem israelischen Volk jetzt nicht diese Unterstützung.“ Diese Ernsthaftigkeit sollte man geltenlassen.
Wenn Micha Brumlik durch die Auseinandersetzung am Sonntag deutlich geworden ist, daß er selbst zunächst spontan und kompromißhaft einen Antrag unterstützte, sollte er den eigenen Denkprozeß nicht überdecken durch generalisierende und ungenaue Nachbetrachtungen. In dieser einen Entscheidung jedenfalls erwiesen sich die hessischen Grünen als eine Partei, in der die gemeinsame Emanzipation von eigenen Beschränktheiten möglich ist. Gisela Wülffing
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