: Verweigerer müssen jetzt Waffen für Israel packen
■ Drohungen und Schikanen gegen Kriegsdienstverweigerer aus Bremervörde
15 der insgesamt 50 Kriegsdienstverweigerer des Bremervörder Flugabwehrraketengeschwaders 36 verladen zur Zeit auf dem Kölner Flughafen militärisches Material. Die Flugzeuge, die sie bestücken, sollen in Kürze nach Israel starten. Das teilte gestern früh einer der Verweigerer seinem Bremer Rechtsanwalt Günter Werner telefonisch mit. 141 Soldaten des Geschwaders, darunter sieben Wehrpflichtige, werden noch in dieser Woche zusammen mit 18 Hawk-Raketen auf den Flughafen von Diyarbakir in der Osttürkei verlegt.
Die 50 Kriegsdienstverweigerer hatten kurz nach Abgabe ihrer Anträge die Nachricht erhalten, an ihrem Standort gebe es keine Möglichkeit, sie ohne Waffe zu beschäftigen. Auf dem Kölner Flughafen, so hatte Oberst Baron von Hoyer-Boot noch am Montag abend auf einer Pressekonferenz in der Bremervörder Kaserne versichert, würden die Soldaten lediglich zur Verladung von „Rußlandpäckchen“ eingesetzt. „Damit wollen wir den Soldaten entgegenkommen.“ betonte er, „Alternative wäre der Dienst mit der Waffe“. Die anderen Verweigerer sollen vor Ort oder in Nachbardepots eingesetzt werden, zum Beispiel im Kantinen- oder Sanitärbereich und bei Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen.
Trotz der Beteuerungen von Seiten der Bundeswehr, es ginge in erster Linie um die Interessen der Verweigerer, wächst die Kritik am Vorgehen der Bundeswehr. So hat der Bremer SPD- Bundestagsabgeordnete Ernst Waltemathe gestern in einem offenen Brief an das Bundesverteidigungsministerium gegen den Umgang mit den Verweigern protestiert. Es sei überhaupt nicht einzusehen, weshalb hier „urplötzlich“ eine Versetzung vorgenommen werde.
Für Anwalt Werner ist die Sache klar: „Das ist eindeutig Schikane“, sagt er auf Anfrage, „man wollte die Verweigerer wegbringen, um sie von ihrem Rechtsbeistand zu trennen und zu verhindern, daß ihr Beispiel Schule macht.“ Das Argument, es gäbe nicht genügend Möglichkeiten vor Ort, die Soldaten einzusetzen, hält er für vorgeschoben. „Es gibt dort seit Jahren Leute, die sozusagen Gammeldienst machen, und auf einmal geht das nicht mehr.“ Durch die Versetzungen ist seine Arbeit praktisch blockiert. „In der nächsten Woche gibt es die ersten Termine und ich weiß überhaupt nicht, wie ich mich mit meinen Mandanten vorbereiten soll“, sagt er.
Oberst Hoyer-Boot gibt sich unterdessen gelassen. Von Schikane könne keine Rede sein. Im Vergleich zu den 141 Soldaten, die jetzt wüßten, daß es in die Türkei ginge, sei die Belastung der versetzten Verweigerer gering. Ingesamt sei alles in bester Ordnung, versichert er, obwohl sich alle Soldaten natürlich „starke Gedanken“ machen würden. „Ich meine nicht, daß die Zahl der Kriegsdienstverweigerer etwas über die Stimmung im Geschwader aussagt“.
Viele Soldaten hätten sich überzeugen lassen, daß dies ein notwendiger Einsatz sei und „werden dort ihre Pflicht erfüllen“. Es gebe inzwischen sogar etliche, die sich freiwillig melden. Außerdem hoffe er, daß unter den Verweigerern keiner dabei sei, der sich nur aus Angst so entschieden hätte. Denn: „Nur wer die Angst überwindet ist mutig.“ Er jedenfalls habe den Soldaten erklärt, daß es wie in Israel darum ginge, das Ausweiten des Krieges zu verhindern. „Ich bin von der Effektivität unseres Krisenmanagements überzeugt,“ betont er.
Unterdessen sind bei der DFG-VK weitere Berichte über Schikanen gegenüber Kriegsdienstverweigerer eingegangen. So habe beispielsweise ein Vorgesetzter einem Verweigerungswilligen gedroht: „Wenn du nicht gehst, dann müssen andere ran. Sieh zu, wie du das verantwortest.“ Dieser habe daraufhin seinen Antrag zurückgezogen. „Am Ende unseres Gespräches war der Typ völlig fertig und hat geheult“, sagt Achim Lankenau vom Beratungsbüro. Außerdem habe er erfahren, daß man die Soldaten „warne“, mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit zu gehen oder Demos zu besuchen.
Davon hat in der Bremervörder Kaserne noch niemand etwas gehört. Jeder habe das mit seinem Gewissen abzumachen, meint Oberleutnant Freitag von der zweiten Staffel. „Bei einem Zeitsoldaten würde ich sagen, der entdeckt sein Gewissen etwas spät, aber für Wehrpflichtige akzeptiere ich das ohne Vorbehalt.“ Birgit Ziegenhagen
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