: Der stumme Plauderzirkel
■ Die Antidoping-Kommission des gesamtdeutschen Sports besitzt viel guten Willen und wenig Macht PRESS-SCHLAG
Bevor sie etwas taten, waren sie schon verurteilt. Den „Vorreitern des guten Willens“ ('FAZ‘) wird Verschwendung vorgeworfen, weil einer ihrer Fahnder bis auf die Bahamas zuckelte, um der Sprinterin Katrin Krabbe ein gefülltes Gläschen abzuringen. Die benötigte angsteinflößende Doping-Polizei wird als „wissenschaftlicher Plauderzirkel“ ('Spiegel‘) belächelt, weil sie keinerlei Macht besitzt, verdächtige Personen vorzuladen und diese zu wahrheitsgemäßen Aussagen zu zwingen. Die Zusammenarbeit mit Sportlern, Trainern und Funktionären basiert auf „gegenseitigem Vertrauen und völliger Freiwilligkeit“ (NOK-Report). Das ist recht wenig, wenn Sporttreibende oder Sportantreibende unrechtmäßiger Taten beim Doping-Mißbrauch überführt werden sollen.
Zur Konstituierung der „Unabhängigen Dopingkommission“ am 21. Januar nahmen die sieben Kommissionare noch den Etat von 100.000 Mark und die gesegneten Wünsche des Bundesinnenministers Schäuble sowie der Präsidenten Daume (Nationales Olympisches Komitee) und Hansen (Deutscher Sportbund) entgegen.
Von ihnen längst verlassen, versucht sich die Gruppe in zweiwöchigem Abstand in repräsentativen Befragungen, um sich dem delikaten Thema zu nähern. Doch bevor es überhaupt erste Ergebnisse geben konnte, geriet die Arbeit schon ins Schlingern und in die Schlingen öffentlicher Kritik. Damit verschenkte das vom Präsidenten des Bundessozialgerichts Kassel, Professor Reiter, angeführte Gremium seinen allerletzten Trumpf: die öffentliche Meinung.
Wer seine Arbeit mit dem Mantel der Geheimniskrämerei verdeckt, darf sich nicht über die angedeuteten Interpretationen und Fehlinterpretationen der Bemühungen der „Saubermacher des Sports“ wundern. Das selbstauferlegte Redeverbot mit den Medien wirkt geradezu lächerlich angesichts der eigentlich notwendigen öffentlichen Rückenstärkung der machtlosen Kommission. Dabei geht es nicht um spektakuläre Enthüllungen von Einzelfällen vor Abschluß der Untersuchungen, sondern um deren sachliches und kompetentes Begleiten. Doch alle neuen Diskussionsbeiträge der letzten Tage und Wochen kommen von den Athleten (Biathlet Steinigen, Skilangläufer Bellmann) selbst, deren Hoffen auf weitere Aufklärung durch die Doping-Untersucher bisher gänzlich unerfüllt blieb.
Der Rektor der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig und zugleich das einzige ostdeutsche Kommissions-Mitglied, Professor Helmut Kirchgässner, gibt zwar fleißig Interviews zum berechtigten (!) Überlebenskampf seiner Schule, seine Mitarbeit in der Anti-Doping- Gruppe möchte er dabei jedoch nicht erwähnt wissen. Daß die aktuellen Probleme der DHfK unter anderem dadurch entstanden, daß in der Vergangenheit zu viele Geheimnisse um diese Einrichtung existierten und völlig überzogene Vorstellungen entstanden, scheint der Rektor leider zu vergessen. Schließlich ist er nicht in die Kommission berufen worden, weil die DHfK auf dem Gebiet der Doping- Forschung besonders gewieft und erfolgreich war, sondern weil diese Hochschule wirklich wenig damit zu tun hatte.
Die Antidoping-Kommission wird weiterhin mit Sportlern reden, denen keine Nachteile aus ihren Aussagen entstehen. Über Sanktionen soll sie nicht nachdenken. Dann wird sie voraussichtlich am 15. Juni zum Ende ihrer Tätigkeit die Öffentlichkeit um Verständnis für die spärlichen Ergebnisse der Untersuchungen bitten. Aber woher soll dieses Verständnis dann kommen? bossi
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