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Philosophen zum Golfkrieg: Antworten auf eine taz-Umfrage ...

■ Musterschüler des Westens

Wir haben vierzig Jahre lang einen friedlichen Wirtschaftskrieg gegen den Rest der Welt geführt. Eben waren wir dabei, den Sieg einer friedlichen Revolution zu feiern, der zugleich ein Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus zu sein schien — da überraschte uns der Ausbruch des Golfkriegs. Der Krieg traf die großgewordene BRD zu einem Zeitpunkt, an dem sie erstmals damit beschäftigt war, sich von der Bevormundung durch die ehemaligen Siegermächte zu emanzipieren: Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Und auf einmal kehrte sich ein altvertrautes Verhältnis auf seltsame Weise um. Waren wir es nicht, die Deutschen, die alte militärische Haudegenwerte wie Blut, Gewalt und barbarische Tapferkeit gegen die feigen, immer nur handeltreibenden Westler ausgespielt hatten? Es gehe, so etwa hatte Thomas Mann im Ersten Weltkrieg definiert, um die Verteidigung der echt deutschen Werte eines seelischen Militarismus gegen seelisch zivile, freimaurerisch-demokratische Rhetorten. Auf einmal sind wir die Feigen, Verweichlichten, die kein direkt fließendes Blut mehr sehen können, sondern immer nur unsere Handelsüberschüsse einstreichen wollen. Die Westler hingegen greifen auf die Moral des Kriegs, auf uralte aristokratische Männlichkeitswerte zurück und frischen dadurch ihre leicht angeschlagene Weltgeltung wieder auf (aristokratisch gesehen ist Totschlag etwas viel Edleres als die sanfte Gewalt der handeltreibenden Bürger).

Statt nun aber die Chance zu ergreifen und eine autonome Weltpolitik zu treiben, hat Kohl sich in die Rolle des Musterschülers zurücktreiben lassen, der, etwas verspätet zwar, seine gelernte Lektion hersagt. Absatzgebiete müßten nun einmal von Zeit und Zeit in Schlachtfelder verwandelt werden. Auch der beste Kunde werde dann zum Feind. Gewohnt zu gehorchen, auch wenn es keine Vorgesetzten mehr gibt, schlägt Kohl die Hacken zusammen und ruft: „Jawohl, wir zahlen das.“

Die liberale Vorstellung vom friedlichen Handel, der weltweit Vertragsnetze knüpft, gehört zum Projekt der Aufklärung. Die Dialektik der Aufklärung zeigt sich allerdings darin, daß sie, die ein Welterlösungsprojekt sein wollte — es ging um nichts geringeres als um die Idee vom ewigen Frieden — kraft ihrer Eigendynamik in Weltvernichtung umschlagen kann. Wie die Krise im Baltikum lehrt, ist es durchaus möglich, daß eine den Kurs wechselnde Sowjetunion sich Teile des soeben verlorenen Terrains mit militärischer Gewalt zurückzuholen sucht: Horrorvision eines dritten Weltkriegs. Aber selbst eine Verrechtlichung des Krieges, wie sie gegenwärtig am Golf praktiziert wird, kann unmöglich schon eine definitive Lösung sein: Überwindung der nationalen Kriege nur, um in einem computergesteuerten internationalen Geisterszenario die ganze Welt in den Abgrund zu stürzen.

Die autonome Rolle eines neuen, friedlichen Deutschlands in der Weltpolitik könnte, falls es ein danach gibt, darin bestehen, militärische Gewalt als Mittel der Politik weltweit der Ächtung anheimzugeben, allerdings mit der Konsequenz nach innen hin, daß wir den Anfang machten und der Wirtschaft nicht bloß die Waffenausfuhr, sondern auch schon die Produktion von Kriegsgerät jeglicher Art untersagten und sie veranlaßten, sich auf die Produktion friedlicher Gegenstände umzustellen. Ein solcher Entschluß, die latente Gewalt des Wirtschaftens nicht mehr der direkten militärischen Gewalt unterzuordnen, wäre ein Fortschritt, wenn auch nur ein relativer. Er bezeichnet genau den Weg, den wir als Nation zurückgelegt haben: vom preußisch-militaristischen Kommandostaat zum demokratischen Kapitalismus westlicher Prägug. Die Friedensbewegung muß wissen, daß sie diesen Frieden meint, wenn sie ihre weißen Fahnen schwenkt und daß jeder Pfennig nach wie vor Gemeinheit, Unterdrückung, Asbeutung von Mensch und Natur bedeutet. Daher plädiere ich für etwas weniger Pathos.

Die Autorin ist Professorin in Hannover.

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