: Müssen deutsche Seehäfen Rüstung umschlagen?
■ Norddeutsche Grüne lassen den Waffenumschlag juristisch untersuchen / Bremen sieht weiterhin Transportpflicht
Die grünen Fraktionen der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wollen die Verladung von Kriegsmaterial in den norddeutschen Seehäfen juristisch überprüfen lassen. Der Hamburger Rechtsanwalt Michael Günther soll in seinem Gutachten zwei Fragen klären: Können die Häfen für die Waffenverladung geschlossen werden? Und war die Bundesregierung im Recht, als sie einen Teil des Emdener Hafens zum militärischen Sperrgebiet erklärte, um den Nachschub für die amerikanischen Truppen am Golf sicherzustellen? Das gab gestern der Bremerhavener Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Manfred Schramm, bekannt.
Weil neben Bremen, Nordenham und Emden in Zukunft vielleicht auch Kiel vom Waffentransport betroffen sein wird, haben sich die grünen Fraktionen zum gemeinsamen Vorgehen entschlossen. „Wir wollen kein Sandkastenspiel. Die Verladung soll nicht in einem Hafen gestoppt werden und in den anderen weitergehen“, sagte Manfred Schramm, auf dessen Initiative der Begutachtungsauftrag zurückgeht.
Wenn sich durch das Gutachten rechtliche Möglichkeiten gegen den Waffenumschlag ergeben, wollen die Bremer Grünen einen Gesetzentwurf in die Bürgerschaft einbringen und eventuell die Änderung des bremischen Hafengesetzes beantragen. Das Gutachten soll in etwa drei Wochen vorliegen.
Uwe Will, Pressesprecher des Bremer Hafensenators, hat inzwischen erneut erklärt, daß der Senat keine Möglichkeit habe, die Verladung von Waffen für die US-Truppen am Golf durch die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft zu verhindern. Gemäß des bremischen Hafengesetzes seien die Bremer Häfen „öffentliche Anlagen“. Daraus ergebe sich, daß Kriegsmaterial, für das eine Transport- oder Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung vorliege, verladen werde müsse.
Der Senat stützt sich in seiner Argumentation auf das Gutachten zweier Hamburger Seerechts- Professoren. Die waren im August 1989 zu dem Schluß gekommen, daß Bremen gegen Bundesrecht verstoßen würde, falls es Atomtransporte über seine Häfen verbiete.
Erst kürzlich hatte der Bremer Rechtsanwalt Ulrich von Behr in einer Stellungnahme für die taz Möglichkeiten aufgezeigt, wie Bremen Kriegsmaterial aus seinen Häfen verbannen könnte. Der Bremer Senat könne entsprechende Richtlinien für die Geschäftspolitik der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft erlassen, die zur Zeit noch den Waffenumschlag abwickelt.
Auch der Bremer Jura-Professor Wolfgang Däubler teilt die Ansicht des Senats nicht. Es gebe im Bundesrecht kein Gesetz, das eine Verpflichtung zum Umschlag beinhalte. Wenn Waren eine Transport- oder Ausfuhrgenehmigung erhalten hätten, bedeute das noch lange nicht, daß ein Hafen verpflichtet sei, sie zu verladen. Der Senat könne zum Beispiel den Umschlag von Munition wegen der damit im Hafen verbundenen Explosionsgefahr untersagen.
Und zu den Hamburger Senats- Gutachtern und Seerechts-Professoren Herber und Lagoni meint Wolfgang Däubler: „Die beiden würden sich eher die Zunge abbeißen, als der Bundesregierung auf die Füße zu treten.“
och
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