: "Es ist schwierig, kritisch mit Israel umzugehen"
■ Interview mit dem PDS-Vize Andre Brie während des gegenwärtigen Besuchs einer Delegation der PDS in Israel
taz: Wie erscheint Ihnen nach den Gesprächen mit israelischen und palästinensischen Vertretern die Möglichkeit zur Konfliktlösung?
Brie: Wir hatten hier Gespräche mit israelischen Politikern aus dem gesamten politischen Spektrum, und wir haben gestern auch mit Feisal Husseini und anderen palästinensischen Führern gesprochen. Es ist eine verfahrene Situation. Beide Seiten — bei aller Differenzierung, die es da gibt — haben große Schwierigkeiten, sich in die Lage der anderen Seite zu versetzen. Ein Ausbruch aus der jeweiligen Logik wird ungeheuer schwierig zu erreichen sein.
Wie sehen Sie heute die deutsche Einstellung zu Israel, aus der Sicht eines ehemaligen DDR-Bürgers?
In der DDR gab es schon einen ziemlich starken Antifaschismus, und Antisemitismus wurde schwer bestraft — ganz anders als in der BRD. Andererseits gab es ein absolut einseitiges und apologetisches Verhältnis zu Israel. Die ganze Sache ist instrumentalisiert worden. Es ging um die Anerkennung der DDR durch die arabischen Staaten. Umgekehrt dann, ungefähr ab 1987, als Honecker in die USA fliegen wollte, gab es eine Annäherung an Israel, aber das war wieder ein Vehikel für ganz andere Dinge. Das Hauptproblem heute ist die Unkenntnis in der DDR, im Osten Deutschlands, über die ganze Situation. Hier muß viel aufgearbeitet werden, und da ist sehr viel zu tun, zum Beispiel durch den Austausch von Jugendlichen beider Seiten oder auch wechselseitige Besuche von Intellektuellen. Israel muß gefördert werden.
Wir waren gestern auch in „Yad Vaschem“, wo ich die Namen von Verwandten gefunden habe. Mein Vater war Jude und Kommunist und ist in der Emigration gewesen. 1950 ist er in der DDR verhaftet worden: also auch eine eigenartig komplizierte Geschichte. Und dabei habe ich mich immer mitverantwortlich gefühlt für den Holocaust. Das macht es dann aber auch schwierig, realistisch und kritisch mit Israel umzugehen. Eigentlich ein Problem, mit dem wir alle zu tun haben — ein Problem, über das Ströbele gestolpert ist. Hier gibt es gerade für Deutsche auch Grenzen des Umgangs mit der Kompliziertheit der Situation.
Wie sehen sie die alte BRD in diesem Zusammenhang?
Es gibt auch in der BRD extreme Defizite bei der Klärung. Die BRD hat sich traditionell aus schwierigen Situationen mit Geld herausgestohlen. Und weil sie auch Interessen bei den arabischen Staaten hat, muß sie auch immer wieder diese entsprechend bedienen. Und wenn die BRD Waffen an Israel liefert, dann muß sie auch an die anderen Waffen liefern, und so wird das immer höher geschaukelt. Das ist ein Grundproblem der ganzen Region. Man müßte hier ein generelles Waffenexportverbot durchsetzen. Interview: Amos Wollin
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