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Koalitionen sachpolitisch definieren

■ Ein Beitrag des FDP-Politiker Friedrich van Nispen zur Bremer Koalitionsdebatte

Nach über 40jähriger Regierung, davon 20 Jahre mit absoluter Mehrheit, ist die Bremer SPD zerschlissen. Eine nichtendenwollende Kette von politischen Fehlentscheidungen und Affären sowie ein zum Teil unzulängliches Führungspersonal in Politik und Verwaltung verdeutlichen den Niedergang.

Das Gefühl, daß die SPD bei den kommenden Bürgerschaftswahlen abgelöst, sie mindestens die absolute Mehrheit verlieren muß, war noch nie so verbreitet. Selbst eingeschriebende SPD-Mitglieder werden diesmal oppositionell wählen. Den Verlust der SPD- Mehrheit unterstellt, eröffnet sich eine Fülle von theoretischen Alternativen: schwarz-rot, schwarz-gelb, Ampelkoalition sowie die SPD-Varianten, rot-schwarz, rot-grün sowie rot-gelb. Zwischen den Parteien gibt es partielle Übereinstimmungen. Bildungspolitik rot-grün, Finanzpolitik schwarz- gelb etc., wobei maßnahmebezogen vorher nicht immer auszumachen ist, welcher SPD-Flügel gerade die Oberhand behält. Diese Ungewißheit wird auch das SPD- interne Koalitionsgerangel bestimmen.

Nach meiner Auffassung wird Bremen politisch nur überleben, wenn es gelingt, die dramatische Finanzlage in den Griff zu bekommen und die Zahl der Arbeitsplätze (außerhalb des öffentlichen Dienstes) nachhaltig zu vermehren. Außerdem ist eine Reform an Haupt und Gliedern bei den politischen Institutionen (Parlament, Senat und öffentlicher Dienst) notwendig. Daneben sind massive Probleme im Bereich der Bildungs-, der Bau-und Verkehrspolitik sowie der Sicherheitspolitik zu lösen.

Die Fortsetzung der bisherigen linken Modell- und Außenseiterpolitik wird direkt ins Aus führen. Wie sagte Churchill bei seiner Antrittsrede vor dem Britischen Unterhaus am 13. Mai 1940: „Ich haben nichts anzubieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß.“

Solche Torheiten, wie die Grünen, werden wir jedenfalls nicht begehen. Nach der verlorenen Bundestagswahl war für die Bremer Grünen klar: „Keine Koalition mit der verschlissenen SPD“ so Originalton der GRÜNEN Thomas, Bernbacher und Hackstein. Drei Monate später offerieren die GRÜNEN der SPD eine Koalition, ohne vorher das Sach- und Personalprogramm geklärt zu haben. Eine solche Partei ist nicht ernst zu nehmen, sie taugt jedenfalls nicht zur Lösung der anstehenden Probleme.

Mit der Kandidatur von Herrn Nölle ist Bewegung in die politische Landschaft gekommen. Frischer Wind ist immer gut und Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Präsentation eines neuen Kandidaten ist aber noch keine Lösung in der Sache.

Die Überlebensfrage Bremens beantwortet sich danach, ob der politische Mut für eine generelle Kursänderung vorhanden ist.

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