Eine moderne SPD könnte allein besser regieren

■ Koalitionsdebatte 4: Gerd Syben (SPD) plädiert für eine moderne SPD, die notfalls mit Realo-Grünen koaliert

Der Bremer SPD wird derzeit unverhofft und im Schnellgang das fundamentale Mißverständnis über sich selbst ausgetrieben, sie sei vielleicht doch die gegen das Kapital gerichtete Partei breiter Schichten von ArbeitnehmerInnen. Da sie Regierungspartei ist, hat sie schon lange die Interessen vor allem der Menschen vertreten, die Wert auf eine funktionierende Ökonomie legen — mit allem, was heute dazu gehört. Das sind vor allem moderne Arbeitnehmer, gut ausgebildete und verdienende Individualisten mit einem begrenzten, aber durchaus vorhandenen Sinn für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz. Bisher fanden diese Gruppen die Bremer CDU spießig kleinkariert. Damit konnte man sich nicht identifizieren, so hat die SPD diese Schichten gleichsam unbewußt mitvertreten.

Das Symbol, das die CDU mit der Nölle-Kandidatur aussendet, kann eine Zäsur in dieser Zuordnung markieren. Dagegen sind die Symbole, die die SPD in der letzten Zeit ausgesandt hat, wenig überzeugend. Wie ließe sich das ändern?

Die Selbständigkeit Bremens ist als Wahlkampf-Thema unbedeutend. Die Zusammensetzung der Landesregierung ist nicht entscheidend für die Frage, ob Bund und Länder die föderale Ordnung erhalten wollen oder nicht.

Für die Inhalte der Politik wäre eine große Koalition weniger schlimm als man jetzt denkt. Die Nölle-CDU, wenn sie wider Erwarten mitregieren dürfte, würde der SPD helfen, vieles von dem „durchzusetzen“, was sowieso nötig, vernünftig oder unumgänglich ist: Sperrung der Innenstadt für Autos, Ausstattung der Schulen und Hochschulen, das Ende der Jämmerlichkeit des Kulturetats, Rationalisierung der Verwaltung, Forcierung des Wohnungsbaus...

Die CDU könnte den Eindruck erwecken, als sei die Metz-Kudella-Partei mit einem neuen Kopf schon eine „normale“, moderne, regierungsfähige Partei. Deswegen wäre eine große Koalition ein großer historischer Fehler der SPD: Sie gäbe im Wettstreit darum, wer diese modernen Arbeitnehmer vertritt, kampflos auf.

Und überflüssig wäre es obendrein. Denn die Konzepte sind da, es fehlt nur die Traute. Man kann die Mobilitäts- und Bequemlichkeitsbedürfnisse akzeptieren und doch eine Verkehrspolitik machen mit weniger Autos und mehr Platz zum Leben. Man kann anerkennen, daß nicht alle Leute für ihre Kinder die gleiche Schule wollen und trotzdem gleiche Bildungschancen für alle möglich machen. Man kann einen Staat organisieren, der möglichst wenig in Erscheinung tritt, aber da, wo er gebraucht wird, ohne große Umstände effektiv hilft. „Staat“ darf für die SPD nicht länger eine Beglückungsmaschine, sondern muß ein intelligentes Dienstleistungsangebot sein. Dazu ist freilich eine ordentliche Produktivität öffentlicher Dienstleistungen erforderlich, da kann es natürlich Ärger mit Klientelen geben.

Die SPD kann die notwendige Modernisierung des Stadtstaates allein schaffen. Und wenn sie wirklich jemanden braucht — die Ideen der Grünen sind allemal intelligenter und pfiffiger als was sonst außerhalb der SPD gedacht wird. Also, wenn's nicht anders geht — gerade mit dem Kopf rotgrün, Thomas Franke. Als zweite Stimme im Modernisierungskonzert ist Ralf F. sicher nicht schlechter als Joschka F. Gerd Syben