piwik no script img

Modellmann gesucht

Pekings Medien unterstützen Aktion des Frauenverbandes/ Männer sollen neue Rollen lernen  ■ Aus Peking Boris Gregor

Auf den Straßen und in den Gassen von Peking kommt es schon mal vor: Der Mann schlägt seiner Frau gezielt ins Gesicht. Gegen schlagende Ehemänner ziehen jetzt die Medien ins Feld: In einer Kampagne suchen sie den idealen Gatten, den „Modell-Ehemann“. Organisator der Aktion ist der offizielle Frauenverband. Ziel der Kampagne ist die neue Rolle des Ehemannes in der modernen chinesischen Familie. Die Männer sollen sich von der Tradition, daß Frauen dem Manne untertan sind und von der konfuzianischen Lehre, die Frau gehöre ins Haus, der Mann ins feindliche Leben, verabschieden.

Die englischsprachige 'china daily‘ drückt es so aus: die Kampagne werde zum „gegenseitigen Respekt und zur gegenseitigen Liebe zwischen Ehegatten sowie zur Harmonie von Familie und Gesellschaft beitragen“. Am letzten Sonnabend stellte sich ein Kandidat im Pekinger Fernsehen vor: „Ich glaube“, sagte er tapfer in die Kamera, „daß ich für den Titel des Modell-Ehemannes qualifiziert bin. Als meine Frau ernsthaft krank war, habe ich auf sie geduldig gewartet und ihr geholfen, daß sie Vertrauen in ihre Genesung bekam.“ Außerdem spüle er das Geschirr, wasche Wäsche, lege sie zusammen und koche auch. Das kommt der offiziellen Anforderung des Wettbewerbs schon recht nahe: Der Modellmann soll Verantwortung in der Hausarbeit übernehmen, sich um seine Frau in jeder Hinsicht kümmern — zum Beispiel ihre psychologischen und körperlichen Veränderungen im Laufe der Jahre verstehen, ihr bei der Karriere helfen und geduldig bei der Erziehung der Kinder sein. Noch allerdings klettert die Scheidungsrate steil nach oben. In Pekings Zivilgericht machen Eheverfahren mittlerweile den größten Anteil unter den Prozessen aus. In Shanghai verdoppelte sich die Zahl der Trennungen von 1989 auf 15.000 in 1990. Immer mehr Frauen sind es, die vor Gericht ziehen. Weil sie die Nase voll haben von ihrem Partner.

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen