piwik no script img

Das ehemalige Gestapogelände wird zur Chefsache

■ Diskussion über Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg/ Kultursenator Roloff-Momin plant eine Stiftung des öffentlichen Rechts für das Gestapogelände/ Der Ort ist derzeit ein Öko- und Hundepark/ Hassemer sieht Gedenkstätten für Naziopfer als »Stolpersteine« in der Stadtplanung

Berlin. »Ich habe das Thema Gestapogelände unmittelbar nach meinem Amtsantritt zur Chefsache gemacht.« Noch vor der parlamentarischen Sommerpause, verkündete Kultursenator Ulrich Roloff-Momin am Mittwoch abend im Martin-Gropius-Bau auf einer Diskussionsveranstaltung zur Berliner und Brandenburger Denkmallandschaft für die Opfer des Naziterrors, werde eine Senatsvorlage eingereicht über die Zukunft der einstigen Gestapo-Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße 8. Geplant sei eine Stiftung öffentlichen Rechts aus Vertretern des Bundes, des Landes Berlin und unabhängigen Mitgliedern. Die Aufgabe wird sein, die 1986 ausgegrabenen Reste der Folterkeller als Gedenkstätte zu erhalten, zu schützen und stufenweise auszubauen. Die Einrichtung einer wissenschaftlichen Dokumentation, eines Medien- und Besucherzentrums sowie Tagungs- und Ausstellungsräume sollten geschaffen werden. Bis 1995, so der Kultursenator, könne der Gedenkort seine endgültige Form erhalten.

Roloff-Momins »Chefsache« entspricht damit in wesentlichen Teilen den Vorstellungen der eingesetzten »Fachkommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für die künftige Nutzung des Prinz-Albrecht-Geländes«, die bereits 1990 ihre Empfehlungen dem Senat vortrug: Die »Topographie des Terrors« sollte ohne künstliche Gestaltung bewahrt werden. Der »Ort der Täter« müsse zugleich an die Opfer und den organisierten Völkermord erinnern. Die Geschichte sollte als »offene Wunde« am Schauplatz dokumentiert werden. Ziel müsse die Zusammenarbeit mit anderen Gedenkstätten sein.

Die Notwendigkeit einer Sicherung des Geländes, daran erinnerte Stefanie Endlich, Mitglied der Fachkommission, sei allein schon wegen des zunehmenden Verlusts historischer Spuren angebracht. Das Gelände gleicht derzeit einem verwilderten Ökopark, dessen Beliebtheit hauptsächlich Hundebesitzer, Mauerspechte und Kaninchen zu schätzen wissen. Die freigelegten Teilbereiche der früheren Gebäude der Reichsführung SS — offene Keller, Eingangsfundamente, Zellentrakte — sind nach der Ausgrabung im Jahre 1986 jetzt stellenweise zu einer Müllhalde geworden. Wegen der Zerstörungsgefahr mußte der Zellentrakt wieder mit Sand zugeschüttet werden. Ein Pultdach über den Kellerfundamenten hat nur dem leichten Winterfrost Einhalt geboten.

Immerhin scheint mit der Initiative der Fachkommission, dem Mut einer engagierten Öffentlichkeit und den Plänen des Kultursenators jetzt gesichert, daß der einstige Ort des Naziterrors »mit in die kommende Stadtplanung gehören wird«, wie Umweltsenator Hassemer beigab. Trotz notwendigem Stadtumbau müsse die »Kenntlichmachung von Orten des Naziregimes in der Stadt als Stolpersteine« bleiben, meinte der Senator. Der Denkmalort »Gestapogelände« sei für ihn »geklärt«. Der Ort für die Stiftung »reserviert«.

Die Notwendigkeit eines zentralen »Gedenkortes Gestapogelände« in Berlin scheint um so wichtiger, als die nahen brandenburgischen Mahn- und Gedenkstätten für die Opfer des Naziterrors, die Konzentrationslager Oranienburg und Sachsenhausen, »nur Mosaiksteine in einem komplexen verbrecherischen System« waren, wie Thomas Lutz vom Referat Gedenkstätten ausführte. Weil Berlin die »zentrale Funktion in einem Netzwerk des Mordens« (Endlich) hatte, sei die Verbindung mit den Gedenkstätten Brandenburgs regelrecht zu suchen; um so mehr als sich dort die Geschichte der Internierung bis in die fünfziger Jahre fortsetzte, wie Jürgen Dittberner, Staatssekretär im brandenburgischen Kultusministerium, erinnerte. Hier wie dort allerdings, darauf wies Lutz abschließend hin, sollte »differenziert die jeweilige Geschichte der Täter und Opfer« aufgearbeitet werden. Eine Politisierung der Gedenkstätten im Wirbel der Wiedervereinigung spiele nur die Opfer gegeneinander aus. Rolf R. Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen